Ungarische Super-Gruppe Ungarische Super-Gruppe: Alpha-Tiere im Ostrock-Zoo
Halle/Landsberg/MZ. - Die Menschenmassen strömen, als seien die Beatles und die Rolling Stones zu einem gemeinsamen Gastspiel angereist. Halle, Peißnitzinsel, Sommer 1982 - vor der Bühne im lauschigen Naherholungspark, auf der am Abend die ungarische Rockband Omega spielen soll, wird Woodstock nachgestellt.
Friedliche Invasion
Jugendliche aus der ganzen DDR lagern schon am Nachmittag auf der Wiese. Weinflaschen machen die Runde, es wird gesungen und getanzt. Die Volkspolizei ist völlig überrascht von der friedlichen Invasion der Parkas, Fleischerhemden und Hirschbrüllbeutel.
Für Omega-Sänger Janos Kobor, von Fans und Kollegen nur liebevoll Mecky genannt, waren Auftritte in der DDR stets Heimspiele. "Das waren immer große Ereignisse", sagt Janos Kobor, "als ob wir nach Hause kommen würden."
Hier, wo die ganz großen Bands aus dem Westen weder Platten veröffentlichen noch Konzerte geben durften, genossen er und seine Bandkollegen den Ruf, den hochverehrten Originalen aus London, New York und San Francisco zumindest sehr viel näher zu kommen als einheimische Epigonen wie die Puhdys, Karat und Lift.
Omega, 1962 von Mitgliedern zweier Schülerbands gegründet, zelebrierten ihren Hard-Rock mit großer Geste. Ferenc Debrenceni trommelte wie ein Gott, György Molnar spielte seine Gitarre wie Pink Floyds David Gilmour, Keyboarder Laszlo Benkö thronte hinter Synthesizer-Gebirgen und Tamas Mihaly am Bass ließ nicht nur die Boxentürme erzittern, sondern den Boden gleich mit.
Bei den 82er Konzerten im Berliner Vergnügungspark Plänterwald standen 35 000 Fans zwei Stunden in strömendem Regen und feierten die Budapester so begeistert, dass die DDR-Kulturbehörden den "Red Rock made in Hungary" zusehends argwöhnisch beobachten.
Nicht ganz grundlos. Auf den geheimen Plattentauschbörsen, die überall in der DDR in Privatwohnungen stattfinden, sind Omega-Alben wie "Gammapolis" oder "Az Arc" fast so gut wie harte Währung: Zwei Schallplatten der Ungarn, meist ausklappbar, hochglanzverpackt und vollgepackt mit geheimnisvoller Symbolsprache, sind stets gut für eine Stones-LP, ein Queen-Album oder das neue Opus von Jethro Tull.
Ein Teil des Erfolges erklärt sich aus einem Lied, das bis heute als einer der größten Ohrwürmer der Rockgeschichte gilt. "Gyöngyhajú Lány", ursprünglich bereits 1969 auf dem ungarischsprachigen Album "10 000 Lépés" erschienen, wurde in den 26 Jahren seitdem von so unterschiedlichen Künstlern wie Frank Schöbel ("Schreib es mir in den Sand"), den Linkssentimentalen Transportarbeiterfreunden und den Scorpions (als "White Dove") neu aufgenommen. Omega aber, neben den Rolling Stones dienstälteste Supergruppe der Rockgeschichte, sind mehr als nur das "Mädchen mit dem Perlenhaar". Immer wieder haben es die fünf Budapester geschafft, ihren Stil zu ändern, und sich doch - abseits aller Moden - treu zu bleiben.
Das Publikum dankt es ihnen: Als Omega im vergangenen Jahr, immerhin zehn Jahre nach ihrer letzten CD-Veröffentlichung, ein Konzert im Budapester Nepstadion gaben, kamen mehr als 40 000 Fans, um ihre alten Helden zu sehen.
Open Air im Saalkreis
Janos Kobor, inzwischen 62 Jahre alt, mag das Mut gemacht haben, auch im Ausland noch einmal anzugreifen. Mit einer neuen Best-Of-CD im Gepäck kommen die fünf Alpha-Tiere aus dem Ostrock-Zoo am Samstag zu ihrem vorerst einzigen Deutschland-Konzert - und zwar auf die Freilichtbühne nach Landsberg im Saalkreis.