UNESCO UNESCO: Weltweit erster Gropius-Bau soll Weltkulturerbe werden

Alfeld/ddp. - Schuhmacher Matthias Pohl feilt im Licht dergroßzügigen Fensterwand im Fagus-Werk an einer hölzernen Schuhform.Eine ähnliche Szene mag sich bereits vor fast 100 Jahren in demmodern wirkenden Bau im niedersächsischen Alfeld abgespielt haben.Die 1911 errichtete Fabrik für Schuhleisten war als Erstlingswerk desArchitekten Walter Gropius, dem berühmten Begründer des Bauhausstils,ihrer Zeit weit voraus. Geht es nach der deutschenKultusministerkonferenz, soll das Fagus-Werk zum 100. Geburtstag 2011zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt werden. Es wäre die weltweiteinzige Kulturerbe-Stätte, in der noch produziert wird.
«Wir freuen uns sehr über den diesjährigen Vorschlag derKultusminister, aber das Bewerbungsverfahren läuft ja schon seitMitte der 90er Jahre», sagt der Leiter der firmeneigenenFagus-Gropius-Ausstellung, Karl Schünemann. Das Unternehmen, das sichseit Generationen im Familienbesitz befindet, habe den Fabrikbauerfolgreich im Originalzustand erhalten.
Aber die Anforderungen, die die UNESCO an ein Weltkulturerbestellt, sind hoch. «Neben Kriterien wie meisterliche menschlicheSchöpferkraft oder architektonischer Einfluss entscheidet auch dieFrage des Denkmalschutzes über die Aufnahme auf die prestigereicheUNESCO-Liste», sagt Michael Petzet, Präsident vom DeutschenNationalkomitee ICOMOS. Die internationale Organisation begutachtetim Auftrag der UNESCO die Weltkulturerbe-Kandidaten.
Schünemann sieht da beim Fagus-Werk keine Probleme. «Wir haben unsbei allen baulichen Erweiterungsmaßnahmen mit dem Amt fürDenkmalschutz abgestimmt. Der denkmalgeschützte Bereich ist seit 100Jahren nahezu unverändert und hervorragend erhalten», sagt der65-Jährige. Zudem wolle das Unternehmen den Bau auch künftiggemeinsam mit den Behörden und der UNESCO schützen.
Auch auf steigende Besucherzahlen im Falle einer positivenUNESCO-Entscheidung ist das Fagus-Werk vorbereitet. DieFagus-Gropius-Ausstellung ist bereits auf Deutsch und Englischkonzipiert. Auch soll nach einer erfolgreichenWeltkulturerbe-Kandidatur zusätzliches Personal für dieTourismusbetreuung eingestellt werden.
Die Kandidatur des Gropius-Baus habe durchaus gute Chancen, auchwenn es einen enormen Andrang auf die Weltkulturerbe-Liste gebe, sagtPetzet. «Auf der Liste klafft eine Lücke, was die Architektur des 20.Jahrhunderts angeht. So schön gotische Kathedralen auch sind,irgendwann ist das Weltkulturerbe damit gesättigt». Das Fagus-Werkkönne, so wie die schon zum Weltkulturerbe gehörende Zeche Zollvereinin Essen, als Industriebau diese Lücke füllen.
«Mit dem Fagus-Werk nahmen der damals 28 Jahre alte Gropius undFirmengründer Carl Benscheidt die moderne Skelettstruktur umJahrzehnte vorweg», sagt Ausstellungsleiter Schünemann. Heute werdefast jedes Gebäudes auf diese Weise errichtet. Da die Ecken desFagus-Werks nicht wie damals üblich von Säulen getragen werden, wirkees luftig. Durch die gläserne Außenfassade sei es zudem im Innerender Fabrik nahezu taghell. «Das beeinflusst das Arbeitsklima heutewie damals positiv».
Im Herbst wird eine internationale Delegation der UNESCO dasFagus-Werk in Augenschein nehmen. Darunter gebe es aber keinedeutschen Delegierten, sagt Petzet. Ob der weltweit erste Gropius-Baubald zum Weltkulturerbe gehören wird, entscheiden die 21 Mitgliederdes internationalen Weltkulturerbe-Komitees im Juli 2011.