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Tatort-Schauspielerin Tatort-Schauspielerin Dagmar Manzel veröffentlicht Autobiografie Menschenskind

Von Christian Eger 23.02.2017, 19:35
Dagmar Manzel, Schauspielerin und Sängerin
Dagmar Manzel, Schauspielerin und Sängerin Paulus Ponziak

Halle (Saale) - Es gibt Schauspieler, die können über ihre Arbeit reden und schreiben. Und es gibt Schauspieler, die können das nicht. So sahen es 1980 die Professoren an der Ostberliner Schauspielschule „Ernst Busch“. Und so sahen sie auf die Schauspielstudentin Dagmar Manzel, die ohne eine eigens zu bewertende Abschlussarbeit die erst 1977 begonnene Ausbildung beschließen durfte.

Eigentlich vorzeitig, denn nach anderthalb Jahren Studium stand sie schon auf der Bühne. Diese Frau wollten sich einige Regisseure nicht entgehenlassen. So landete Dagmar Manzel, geboren 1958 in Berlin-Friedrichshagen, sofort am Theater Dresden, wo sie unter der Regie von Wolfgang Engel - unter anderem als Maria Stuart - und Horst Schönemann frühe Erfolge feierte.

Aber das Urteil, nicht über die eigene Arbeit reden zu können, steht. Und man muss heute sagen: Welch ein Irrtum. Unter dem Titel „Menschenskind“ legt die heute 58-jährige Mutter von zwei Kindern ihre Memoiren vor. Ein hochtrabendes, aber kein unzutreffendes Wort.

Statt zu schreiben redet Dagmar Manzel, befragt von dem Filmkritiker Knut Elstermann. Eine Autobiografie in Fragen und Antworten. Ein Lebensgespräch. Ein Arbeitstreffen. Ein langes, sehr entspanntes Reisen durch sechs Jahrzehnte, die sich mit einem Abstecher nach Dresden, vor allem in Berlin ereigneten.

Dagmar Manzel: Tatort-Schauspielerin ist eng mit Berlin verbunden

Dort wuchs die Schauspielerin mit zwei Schwestern und zwei Brüdern als Tochter einer Lehrerin und eines Flugzeugmechanikers auf. Und dort wurde sie schon 1983 an das Deutsche Theater gerufen, an die DDR-Renommierbühne, deren Erreichen als das absolute Hoch einer Schauspielerkarriere im Osten galt. Auch als deren Ende, denn eine Steigerung konnte es nicht mehr geben.

Kein einfaches Gehäuse, in dem ein gewisser, von Cliquen definierter ästhetischer Korpsgeist herrschte. „Die hat’s“, bemerkte Fred Düren beiläufig über die Manzel.

Käthe Reichel, die schrill verpeilte Expressive, die sich auf der Bühne gern auf den Boden schmiss, sah das anders. Als Dagmar Manzel 1987 an der Figur der Emilia Galotti gescheitert war, ließ es sich die Reichel nicht nehmen, ihr bei der Premierenfeier vorzuführen, wie sie alles richtig hätte machen können. „O Vater!“ deklamierte sie vor der Gedemütigten.

Die war in wichtigen Inszenierungen von Heiner Müller und Thomas Langhoff zu sehen. 2001 beendete sie den unkündbaren Einsatz, um sich als Schauspielerin ganz auf eigene Füße zu stellen. Das gelang.

Längst ist Dagmar Manzel „die Manzel“. Der Aufbau Verlag, der das „Menschenskind“-Buch veröffentlichte, nennt die Schauspielerin „La Manzel“. Das hat etwas Operettiges, das auf diese Künstlerin aber auch zutrifft. Die Manzel ist ein Star - nicht nur des Berliner Bühnenlebens, sondern auch des deutschen Films.

Tatort-Star Dagmar Manzel ist als Cleopatra an der Komischen Oper in Berlin zu sehen

An der Komischen Oper wird sie zur Zeit unter der Regie von Barrie Kosky als Cleopatra in einer 20er-Jahre-Operette von Oscar Strauss gefeiert, einem enthemmten Bühnenspaß. Ihr „Menschenskind“-Programm mit Liedern von Friedrich Hollaender garantiert gefüllte Säle.

Man sah sie im Kino im Defa-Film „Coming Out“, in „Schtonk!“ und „John Rabe“, im Fernsehen als Mutter Matt im Dreiteiler „Der Laden“ und als Eva Klemperer in „Klemperer - Ein Leben in Deutschland“. Im Franken-„Tatort“ ermittelt Manzel als Kommissarin.

Privat bleibt die künstlerische Prominenz wirkungslos. Am Deutschen Theater wurde sie einmal am Künstlereingang nicht eingelassen. Pförtner: Was wollen Sie denn hier? Manzel: Ja, ich würde gern zur Vorstellung. Pförtner: Das kann ja jeder sagen.

Kürzlich, als die Manzel an einer Supermarktkasse stand, an der eine TV-Zeitschrift mit ihrem Porträt auf dem Titel angeboten wurde: Keine Reaktion. Ein entschiedener Hinweis darauf, dass man es bei dieser Frau mit einer Künstlerin und nicht mit einer notorischen künstlerischen Persönlichkeit zu tun hat.

Klarheit, Direktheit, Genauigkeit, das gehört zu ihr. Etwas Herausforderndes, auch gegen sich selbst. Die Manzel ist schnell, nur eben manchmal zu schnell am Ziel. Auch am falschen. Mit 18 tritt sie in die SED ein, um ihrem kommunistischen Vater zu gefallen.

Aber dann bemerkt sie, dass die Leute, die sie gut findet, „dagegen“ sind, wie es in der DDR hieß, und jene, die „dafür“ sind, eben doof, und endlich, in den 80er Jahren, tritt sie aus, offenbar einige Jahre vor 1989. Genaues erfährt man nicht.

Sie lässt sich katholisch taufen, verlässt aber die katholische Kirche wieder, weil sich ein Priester über ihren Umgang mit Homosexuellen wundert. „Das war es dann“, sagt sie knapp. Die Fluchtwege findet sie immer.

Sie würde stets bar bezahlen, sagt die Manzel über ihren Lebensstil. „Hinfallen, Krönchen richten, aufstehen, weiterlaufen“, das sei ihr Lebensmotto. Als junge Schauspielerin wollte sie sich einmal in Karl-Marx-Stadt das Leben nehmen. Ihr Vater erklärte telefonisch, sofort mit dem Taxi aus Berlin zu kommen. Das sei zu teuer, entschied die Manzel - und überlebte. Auch eine Krebserkrankung hat sie überstanden, wie sie beiläufig erzählt.

Denn es ist eher ein Abfrage-, als ein Nachfrage-Gespräch, das Knut Elstermann führt, was dem Buch manche redselige, auch Schauspielführer-dröge Passage beschert. Aber alles in allem bekommt man einen guten Eindruck von der Frau, die eine der interessantesten deutschen Schauspielerinnen der Gegenwart ist. Einen Eindruck von ihrer Härte in den Alltagsdingen einerseits, und einer hauchzarten, ja fast verblasenen Neigung zur Poesie andererseits.

Dass sie seit einiger Zeit die Schlager des 1933 aus Deutschland vertriebenen Komponisten Werner Richard Heymann singt („Das gibts nur einmal“, „Irgendwo auf der Welt“, „Ein Freund, ein guter Freund“), geht in Ordnung. Und auch, was sie als ihren großen Alterswunsch nennt: einmal die Mutter Courage spielen.

Dagmar Manzel: Menschenskind, Aufbau Verlag, 239 Seiten, mit Abbildungen, 19,95 Euro

(mz)

Das Buchcover
Das Buchcover
Aufbau Verlag