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"Tatort"-Nachkritik "Kartenhaus" "Tatort"-Nachkritik "Kartenhaus": Tolle Bilder bei einer schablonenhaften Geschichte

Von Anne Burgmer 28.02.2016, 22:06
Der Kölner Tatort mit einem ungleichen Paar.
Der Kölner Tatort mit einem ungleichen Paar. dpa

Der Fall

„Sie lügt. Er träumt.“ So kurz und treffend fasst Freddy Schenk (Dietmar Bär) die gefährliche Mischung des Pärchens zusammen, das er im neuen Kölner „Tatort“ mit Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) jagt. Laura Hartmann (Ruby O. Fee) hat reiche Eltern, lebt in Marienburg und denkt sich gerne Geschichten aus, wenn sie sich langweilt oder Aufmerksamkeit sucht. Adrian Tarrach (Rick Okon) ist in Chorweiler in einem von Gewalt geprägten Umfeld aufgewachsen. In einem Club haben sie sich kennengelernt. Nun ist das ungleiche Paar auf der Flucht, denn Adrian hat Lauras Stiefvater erstochen  – weil dieser sie angeblich missbraucht hat. Später erschießt er auch noch den Besitzer des Clubs, als dieser ihn dabei überrascht, wie er Geld stiehlt.

Die Auflösung

Den Mörder kannten die Zuschauer vom ersten Augenblick an. Und auch Schenk und Ballauf mussten nicht lange suchen. Die Frage war also eher, wie und wo sie das Pärchen aufspüren. Leider ist das Ende einer der Schwachpunkte dieses „Tatorts“. Man ahnt viel zu früh, dass Adrian sich einer Verhaftung durch einen Sprung von einem der Hochhäuser, die seine Welt bestimmen, entziehen wird. Da hätte Schenk nicht noch extra sagen müssen, dass sich Mitglieder von Adrians Familie besser fernhalten sollten von großer Höhe.

Die Darsteller

Besonders die beiden jungen Darsteller machen ihre Sache gut. Ruby O. Fee nervt als zickige, gelangweilte Wohlstandsgöre, Rick Oron spielt diesen Adrian mit einer Mischung aus Wut und Empfindsamkeit Er tötet, weil er glaubt, damit das Richtige zu tun. Besonders die Szenen mit seiner Mutter Pia (ebenfalls sehr überzeugend: Bettina Stucky) zeigen, dass hier kein eiskalter Mörder am Werk ist.

Heimlicher Hauptdarsteller

Chorweiler ist ja gemeinhin nicht gerade als Viertel bekannt, in dem man besonders gerne wohnen möchte. Daran ändert sich auch nach diesem „Tatort“ nichts. Im Gegenteil. Diese Wüste aus Beton ist so abschreckend, wie sie nur sein kann. Doch Regisseur Sebastian Ko tut alles, um Chorweiler mit Kameramann Kay Gauditz ein Denkmal zu setzen. Das gelingt auf eindrucksvolle Weise. Sozialer Brennpunkt im Abendlicht oder aus der Vogelperspektive – selten sah Chorweiler so beklemmend-schön aus..

Fazit

Bonnie und Clyde in Köln. Drehbuchautor und „Tatort“-Experte Jürgen Werner lässt in seinem Fall Welten aufeinandertreffen. Ohne zu viel Sozialkritik, was gut ist. Doch leider ist die ganze Geschichte viel zu schablonenhaft geraten. Der größte Vorwurf, den man Werner jedoch machen muss, ist dass dieser Krimi so vorhersehbar ist.

Man muss kein Hellseher sein, um früh zu ahnen, wie sich die Dinge entwickeln werden. Es ist schnell klar, dass Laura lügt, was die Vergewaltigung angeht. Man ahnt sofort, dass Adrians Vater nicht gefallen, sondern vom ihm gestoßen worden ist. Als Ballauf und Schenk ihren traumatisierten Assistenten Tobias (Patrick Abozen) mitnehmen, weiß man, dass dieser eine entscheidende Rolle im Showdown spielen wird. Und dass Adrian vom Hochhaus springt, ist auch keine Überraschung. Außerdem hakt es mitunter doch ziemlich in der Geschichte: Warum zahlen sie das Hotelzimmer mit Lauras Kreditkarte, obwohl Adrian weiß, dass man sie so leicht finden kann? Warum geht er, obwohl er weiß, dass die Polizei ihn sucht, einfach in einem Laden einkaufen, in dem man ihn kennt?

„Kartenhaus“ überzeugt mit guten Darstellern und tollen Bildern, die Geschichte kann da leider nicht mithalten.