Tatort-Kritik "Dein Name sei Harbinger" Tatort aus Berlin "Dein Name sei Harbinger": Arg konstruiert und zu viel Sensationslust

Der Fall
In einem ausgebrannten Transporter wird ein Toter gefunden. Das Berliner Tatort-Team Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) ermittelt. Schnell ist klar, es gab schon ähnliche, nie aufgeklärte Fälle. Dann ergibt sich doch eine Spur, alle Ermordeten entstammen einer Kinderwunsch-Klinik. Die leitet Dr. Stefan Wohlleben, der sich stolz als Deutschlands erstes Retortenkind vorstellt. Seine Mutter (die nur ganz selten im Fernsehen auftretenden Theatergröße Almut Zilcher) hatte ihn damals mit Hilfe eines anonymen Samenspenders gezeugt, deren Lebensgefährtin hat das Kind dann ausgetragen.
Damals hat Werner Lothar, ein junger Wahnsinniger, einen Anschlag auf die progressive Ärztin verübt. Der längst aus der Psychiatrie entlassen wurde und heute einen Schlüsseldienst in einer Zwischenebene des U-Bahnhofs Alexanderplatz betreibt und von dort aus Jagd auf die inzwischen erwachsenen In-Vitro-Kinder macht. Aber Karow gibt sich mit einfachen Erklärungen nicht zufrieden. Er vermutet Methode hinter dem Wahnsinn und versucht das Vertrauen von Lothar zu gewinnen. Und wie es der Zufall so will, steht auch noch Kommissarsanwärterin Anna Feil auf Lothars Abschussliste.
Die Auflösung
Werner Lothar, genannt Harbinger, ist wirklich nur ein armer Irrer. Dr. Stefan Wohlleben – das nennt man wohl einen „sprechenden Namen“ – hat sich seine Wahnvorstellungen zu Nutze gemacht, um seine nichts ahnenden Halbgeschwister aus dem Weg zu räumen. Denn wenn es mit dem Kinderwunsch wirklich nicht klappen konnte, hat seine Mutter heimlich ihre Eizellen gespendet, ohne das Wissen ihrer Patienten.
Fazit
Als Großstadt-Thriller funktioniert „Dein Name sei Harbinger“ eine ganze Zeit lang. Christoph Bach macht als Psychotiker mächtig Eindruck. Und die Betonhärte Berlins haben Regisseur Florian Baxmeyer und Kamerafrau Eva Katharina Bühler sehr schön eingefangen. Doch der Fall hinter der Thriller-Oberfläche wirkt zum einen arg konstruiert und von glücklichen Zufällen geleitet, zum anderen bewegt er sich in seiner Sensationslust auf der geistigen Höhe religiöser Eiferer. Sie habe Gott gespielt, sie sei eine Verbrecherin, wirft Nina Rubin der Reproduktionsmedizinerin vor.
So hört sich das wahrscheinlich an, wenn die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharow zum Polizeidienst antreten würde. Die hatte vor drei Jahren in einer Rede zur In-Vitro-Fertilisation erklärt, sie würde „Kinder, die auf solch abartigen Wegen entstanden sind, als Halbwesen“ ansehen. Auf diesem bedauernswerten Diskussionslevel setzt auch „Dein Name sei Harbinger“ an. Das erste ist nur schlampig, das zweite schlimm.