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"Maybrit Illner" zur Syrien-Krise "Maybrit Illner": "Assad wird den Syrien-Krieg gewinnen"

Von Daland Segler 13.04.2018, 04:06

Frankfurt - Die Lage ist ernst, das Verhältnis zwischen West und Ost war „lange nicht so kritisch wie heute“, hielt Maybrit Illner zu Beginn ihrer Sendung fest. Und wiewohl in den Medien über drohende Kriegsgefahr spekuliert wird, scheint das Publikum nicht besonders nervös. Von Hamsterkäufen etwa ist nicht die Rede. Nimmt die Bevölkerung die Situation vielleicht gar nicht so ernst? Und wenn, woran könnte das liegen? Die US-amerikanische Juristin und Finanzexpertin Sandra Navidi gab einen Hinweis darauf in ihrer ersten Einlassung. Von Illner gefragt, was die widersprüchlichen Äußerungen des US-Präsidenten Donald Trump für Folgen haben könnten, antwortete sie: „Er beraubt sich seiner eigenen Glaubwürdigkeit.“ Was haben wir gelacht. Denn wenn Trump über eine Eigenschaft gewiss nicht verfügt, so ist es diese: Glaubwürdigkeit. Versprach er zunächst, die US-Soldaten nach Hause zu holen, kündigte er quasi tags drauf einen Waffengang an und drohte: „Mach Dich bereit, Russland“ – um neuerdings zu twittern, er habe nicht gesagt, wann er Raketen schicke. Solch einen Wirrkopf soll man ernst nehmen?

Dass sein Gegenüber es nicht tut, könnte ein Grund zur Gelassenheit sein. Und dass die jeweiligen Militärs offenbar miteinander im Gespräch sind. Denn wenngleich in den beiden Lagern die Legenden von den bösen Buben auf der anderen Seite gepflegt wird, so weiß man hüben wie drüben offenbar, dass man besser nicht mit dem Feuer spielt. „Skripal, Syrien und Sanktionen – Putin unter Generalverdacht?“ lautete Illners Thema. Die Formulierung suggeriert, dass der Westen ein Feindbild pflegt, und der russische Alleinherrscher tut sein Teil dazu, wie ein Einspieler unmissverständlich darlegte: „Die Spuren von Desinformation und Aufwiegelung führen immer in den Kreml.“ Gelernt ist eben gelernt, das gilt auch für den ehemaligen Geheimdienstchef in Moskau.

Jeder spielt brav den ihm zugedachten Part

Aber dem Sinn und Zweck so einer Talkshow gemäß durfte es nicht bei einer Anklage bleiben, sondern die Auswahl der Gäste sollte für eine kontroverse Debatte sorgen. Und so spielte jeder und jede brav den zugedachten Part. Katja Gloger, Journalistin beim „Stern“ und früher Korrespondentin in Moskau und Washington, war die Stimme der Vernunft und riet zur Besonnenheit. Es gelte, einen kühlen Kopf zu bewahren. In diesem Sinne wies sie auf die Vorgeschichte der aktuellen Zuspitzung hin: „Wir müssen uns anziehen, dass dieser Krieg so eskaliert ist, weil sich der Westen irgendwann zurückgezogen hat.“ Putin sei in dieses Vakuum hineingestoßen und nun Schutzmacht Syriens. „Und Assad wird diesen Krieg gewinnen.“ Für Putin bedeute das russische Eingreifen zunächst Erfolg im eigenen Land zu haben. Russland habe sich zunehmend von Europa verabschiedet, wolle einen eigenen Weg in eine post-westliche Welt gehen. Das Narrativ „Der Russe ist an allem schuld“ funktioniere in diesem Sinne.
Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag und Dauergast in solchen Sendungen, gab den Kalten Krieger mit hehrer Rhetorik: Man müsse etwas tun, damit der Krieg in Syrien beendet werde. 

Aber Russland sieht er als den Schuldigen: Es habe die Untersuchungen der Giftgasangriffe in Syrien stets sabotiert, und entweder Schuld oder die Kontrolle verloren. Zudem habe Putin ebenso wie die anderen Assad-Getreuen Türkei und Iran kein Interesse am Schicksal des Landes, sondern ausschließlich am Machterhalt.

Gemeinsamer Versuch der Großmächte fehlt

Ähnlich allgemeinverbindlich, aber eben doch Partei, bloß für Putin: Alexander Rahr,
Historiker und Politikwissenschaftler und Gazprom-Lobbyist. Es fehle am gemeinsamen Versuch der Großmächte, in Syrien Frieden zu stiften. Man befinde sich in einem „grässlichen Informationskrieg“ sagte er in Anspielung auf die Auseinandersetzung um die jüngsten Giftgasangriffe. Im Eifer des Gefechts (!) rutschte ihm dann doch der Satz durch, der ihn als Putin-Apologeten auswies: Damaskus würde durch die Rebellen doch „ständig angegriffen“. Den spärlichen Beschuss der syrischen Hauptstadt mit der Vernichtung ganzer Städte wie Homs, Aleppo der Ost-Ghuta zu vergleichen, zeugt schon von Zynismus.

Differenzierter um Verständnis für den russischen Zar werbend trat Gregor Gysi auf, inzwischen Präsident der „Europäischen Linken“. Auch er kann Allgemeinplätze: Es handele sich schlicht um einen Interessenkonflikt, also müsse man einen Interessenausgleich suchen. Gysi fragte nach dem Motiv Assads, jetzt Giftgas einzusetzen, und beklagte: Es werde ja nichts festgestellt bei den angeprangerten Kriegsverbrechen, alle Behauptungen hätten den Charakter von Vorurteilen. Zum Beispiel sei es bei den Geheimdiensten unüblich, Spione außer Dienst wie jetzt den russischen Ex-Spion Sergej Skripal zu liquidieren.

Das konnte Historiker Christopher Nehring bestätigen. Er ist seit 2015 Leiter der Forschung am Deutschen Spionagemuseum in Berlin; Nehring vermutete, dass Skripal in London womöglich noch Kontakt zu Abteilungen der britischen Geheimdienste unterhielt und deshalb zur Zielscheibe wurde. Dass zwanzig andere vom Giftgasanschlag in Mitleidenschaft gezogen wurden, deutet für den Experten auf einen fehlgeschlagenen Versuch hin. Der Stoff – zweifelsfrei aus Russland – sei dort wiederholt eingesetzt worden, so 1995 gegen einen Bankier.
Alexander Rahr aber spekulierte, ganz Stimme seines Herren, über „flüchtige Oligarchen, die Putin hassen“, als Täter, denn natürlich sei der Verdacht gleich auf den Kreml gefallen, und „dümmer hatte es Putin nicht anstellen können.“ Aber genau dieses Argument lässt sich gegen den ehemaligen KGB-Chef wenden. Mit der Behauptung, er würde es schon deshalb nicht tun, weil der Verdacht gleich auf ihn fiele, kann er es eben tun. Der Russe ist nicht an allem schuld, an manchem aber wohl schon.

„Maybrit Illner“, ZDF, von Donnerstag, 12. April, 22.15 Uhr. Im Netz: ZDF Mediathek.