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"Maischberger" zum Asylstreit "Maischberger" zum Asylstreit: Wie Horst Seehofer ausweicht sich verweigert und widerspricht

Von Steven Geyer 28.06.2018, 06:06
Horst Seehofer zu Gast bei Sandra Maischberger
Horst Seehofer zu Gast bei Sandra Maischberger WDR

Seit einer guten Woche verfolgt die Republik gebannt jede Regung dieses Mannes, weil er es offenbar in der Hand hat, wie lange die aktuelle Regierung noch hält – und offenbar zu allem bereit ist: CSU-Chef Horst Seehofer, der als Bundesinnenminister womöglich kurz davor steht, durch eine Dienstanweisung an die Grenzpolizei den Bruch von GroKo und Unionsfraktion auszulösen. Oder gibt es doch noch einen Ausweg, einen möglichen Kompromiss, einen Plan für eine weitere Zusammenarbeit mit CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel?

Es war die Hoffnung auf eine Antwort darauf, die Seehofers Auftritt in der ARD-Talkshow am Mittwochabend trotz später Stunde und Fußballblues hochspannend für alle Politik-Junkies gemacht hatte.

Denn zuletzt hatte Seehofer zwar ein paar Entspannungssignale gesendet, war aber stets eine mögliche Kompromisslinie schuldig geblieben – und fehlte zuletzt etwa in der ersten gemeinsamen CDU/CSU-Fraktionssitzung seit dem Zerwürfnis der Schwesterparteien über die Frage von Grenzabweisungen für anderswo registrierte Asylbewerber.

Keinen Deut schlauer

Wie also soll es nun weitergehen, wenn am Sonntag die Zwei-Wochen-Frist endet und Merkel vom EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag noch keine europäische Lösung für die Asylfragen der CSU präsentieren kann – was sie ja bereits vorab eingeräumt hat? Was dann?

An Sandra Maischberger lag es nicht, die die Antwort auf genau diese bange Frage Horst Seehofer wieder und wieder auf verschiedenste, unnachgiebige Art entlocken wollte – aber: Auch nach ihrem einstündigen Einzel-Interview mit dem Innenminister ist man keinen Deut schlauer als zuvor.

Seehofer wich aus, verweigerte, widersprach oder widerrief innerhalb weniger Sätze – und blieb am Ende bei seiner Haltung in der Grenzfrage, ohne über mögliche Kompromisse mit der CDU zu sprechen, genauso wenig aber über die Konsequenzen aus der möglichen weiteren Eskalation:

Wichtiger als das Amt

Riskiert die CSU wirklich aus Sturheit und sehenden Auges die Stabilität von Regierung und womöglich Republik?
Nein, sagt Seehofer: „Ich kenne bei mir in der Partei niemand, der die Regierung gefährden will in Berlin, der die Fraktionsgemeinschaft auflösen möchte mit der CDU oder der gar die Kanzlerin stürzen möchte.“

Aber etwas später auch: „Es gibt in der Politik Momente, da ist die Überzeugung wichtiger als das Amt. Und dann kämpfe ich dafür!“

Heißt das also, er würde sich von Merkel aus dem Kabinett werfen lassen, dafür, dass er gegen ihren Willen anweisen würde, dass Asylbewerber mit Registrierung in einem anderen EU-Land oder mit Einreisesperre für Deutschland direkt an der deutschen Grenze wieder wegzuschicken sind? Maischberger erinnert daran, dass er schon einmal zurückgetreten war, weil Merkel anders wollte als er: 2004 legte er aus Protest gegen Merkels Forderung einer Kopfpauschale in der Gesundheitsversicherung sein Amt als Fraktionsvize und gesundheitspolitischer Sprecher nieder. Seehofer sagt dazu, dass die Pauschale aber auch nie gekommen sei.

Seehofer: „Einreisesperren muss man eben auch durchsetzen“

Doch was heißt das für den heutigen Streit? Abwarten, ruhig bleiben, erstmal schauen, Schritt für Schritt gehen, sagt Seehofer immer wieder.

Auch über die inhaltliche Schiene ist für Maischberger nichts Neues zu holen. Wie könnte denn ein Kompromiss mit Merkel aussehen? Es gebe ja überhaupt nur in einem Punkt Dissens über „meinen sogenannten Masterplan“ zur Migration, sagt Seehofer selbst, und immer wieder schwankt seine Mimik zwischen spöttischem Lächeln und entschlossen erstem Blick mit Stirnfalten.

Bei dem einen Punkt allerdings beharrt er auf seinen Forderungen wie am ersten Tag. Sicher, räumt er ein, es gehe bei der Gruppe der Abzuweisenden mit Einreisesperre nur um „monatlich so hundert Menschen“ – aber ihm gehe es dabei auch nicht um die Zahlen, sondern ums Prinzip: „Der Rechtsstaat muss Biss haben“, sagt er. Einreisesperren müsse man eben auch durchsetzen. In anderen Ländern gehe das ja auch.

Seehofer hat „schon sehr, sehr herzliche Momente“ mit Merkel erlebt

Und bei der zweiten Gruppe, die er an der Grenze abweisen will, stimme er mit Merkel ja sogar „im Ziel überein“: ein Asylsuchender dürfe in Europa nicht von Land zu Land ziehen und immer wieder Asylanträge stellen. Das Wort „Asyltourismus“, das er dafür verwendet wie zuvor Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, nimmt er – halb im Scherz – zurück, nachdem Maischberger intervenierte: die CSU neige dazu, mit derlei Begriffen die Sprache zu vergiften.

Der Unterschied zu Merkel sei in dem Punkt aber: So lange es die neue europäische Lösung nicht gebe, müsse man sich eben an die alten Regeln halten – also an die Sicherung der Außengrenze und die Bearbeitung von Asylanträgen ausschließlich am Ort des Erstantrags. Diese Idee – die Dublin-Regel – hatte ja ursprünglich gegolten, der Fehler sei nur gewesen, die EU-Staaten an den Außengrenzen nicht ausreichend personell und finanziell unterstützt zu haben.

Dass sein nationaler Alleingang – wie Maischberger das Gegenargument zitiert – dazu führen könnte, dass dann eben die Transitstaaten niemanden mehr registrieren, sondern so viele Flüchtlinge nach Deutschland durchwinken, dass hier mehr von ihnen ankommen denn je, streitet Seehofer ab. Mit „Gewissheit“ könne er sagen, dass die EU-Partner sich schon an die geltenden Regeln halten würden.

Können Sie mit dieser Frau noch arbeiten?

Wenn schon inhaltlich kein Kompromiss genannt wird, versucht es Maischberger mit dem persönlichen Faktor: Ob Seehofer mit Merkel noch arbeiten könne, fragt sie – ein angebliches Zitat zu Vertrauten aufgreifend, in dem er genau das verneinte. „Ja, ganz sicher“, sagt Seehofer mehrmals betont ruhig und im Brustton der Überzeugung. „Ganz sicher. Wir reden jeden Tag miteinander.“ Und: „Wir haben schon sehr, sehr herzliche Momente auch miteinander erlebt.“

Man wird nicht schlau aus diesem Mann. Und genau darauf hat er es natürlich angelegt.

Können Sie ausschließen, dass wir nächste Woche eine neue Koalition haben, fragt Maischberger. „Was können Sie im Leben schon ausschließen?“, ist Seehofers Antwort.

„Das würde meine Glaubwürdigkeit völlig zerstören“

So ist am Ende klar: dem CSU-Chef geht es in dem eskalierten Streit um seine Glaubwürdigkeit, er muss nun endlich einmal umsetzen, was er von Bayern aus über Monate gefordert hat. „Ich kann das Ziel nicht aufgeben mit dieser Grenze, denn das würde meine Glaubwürdigkeit völlig zerstören“, sagt er.

Vieles spricht dafür, dass Seehofer den Eindruck, die CSU provoziere Chaos und Instabilität, zerstreuen wollte, denn der schadet der Partei gerade massiv in den Umfragen. Die angestrebte absolute Mehrheit kann sie kaum noch erreichen, der Streit mit Merkel schadet ihr zusätzlich.

Man werde wirklich versuchen, die Probleme zu lösen, sagt Seehofer am Ende wohl auch deshalb. „Ich kann es Ihnen heute nicht garantieren, aber der feste Wille ist da.“

Es ist ein Satz, der alles und nichts sagt. Seehofer hält seine Karten noch verdeckt, ob er blufft oder sehr hoch pokert, sollen wir erst später erfahren. Womöglich weiß es Seehofer noch nicht einmal selbst.