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"Hart aber fair" zu Pflege "Hart aber fair" zu Pflege: Frank Plasberg agiert weit unter Form und vergisst Schlussfrage

Von Barbara Cepielik 12.06.2018, 06:30
Frank Plasberg ließ über die Pflege diskutieren.
Frank Plasberg ließ über die Pflege diskutieren. ARD Screenshot

„Notstand bei der Pflege - Was ist jetzt zu tun?“ war das Thema bei „Hart aber fair" am Montagabend.

Wer war da?

Jens Spahn, CDU, Bundesgesundheitsminister
Thomas Greiner, Präsident Arbeitgeberverband Pflege
Ruth Schneeberger, Journalistin, die ihre Mutter zehn Jahre gepflegt hat
Gottlob Schober, „Report Mainz“, Journalist und Pflegeexperte
Silke Behrendt, Altenpflegefachkraft

Wer hat am meisten geredet?

Gefühlt die halbe Sendezeit: Jens Spahn. Und wurde nur selten unterbrochen. Sagte, was er schon oft gesagt hat: Dass er viele von den Pflegekräften, die sich in Teilzeit zurückgezogen haben, gewinnen will, wieder Vollzeit zu arbeiten. Dass er anstrebt, dass durchweg nach Tarif bezahlt wird. Und dass er den Pflegenotstand auch dadurch beheben will, indem er Fachkräfte aus anderen Ländern nach Deutschland holt. Zum Beispiel aus „jungen“ Ländern wie dem Kosovo, wo viele Menschen eine Ausbildung und Arbeit suchen. Die 13.000 neuen Stellen, die er verspricht, reichten nicht aus, seien aber ein Schritt in die richtige Richtung.

Anmerkung: Mindestens 15.000 Stellen in Altenpflegeheimen sind bundesweit bei den Arbeitsämtern als unbesetzt gemeldet, in der Praxis dürften es doppelt so viele sein.

Was ist der Pflegefachkraft wichtig?

Sie hat, sagt Silke Behrendt, in einer Stunde eigentlich Tätigkeiten für 100 Minuten zu erledigen. Also viel zu viel zu tun. Für einen Nettolohn von 11 Euro nochwas. Längst habe sie sich von der ganzheitlichen Pflege verabschieden müssen; eine examinierte Kraft übernehme nur fachliche Tätigkeiten, fürs Essen sei jemand anders zuständig, für die Beschäftigung wieder jemand anders - ein Gewirr von Gesichtern … und alle immer in Eile. Natürlich fordert sie eine angemessenere Bezahlung. Und, lieber Herr Spahn: Legen Sie nicht erst 2020, sondern früher verbindliche Personalschlüssel auf den Tisch, damit der Flickenteppichen in den Bundesländern ein Ende hat.

Was sagen die Arbeitgeber?

Thomas Greiner fordert „drei mal 13.000“ neue Pflegekräfte. Er will Hilfskräfte, die schon in Heimen arbeiten, qualifizieren, um Fachkräfte von einfachen medizinischen Tätigkeiten zu entlasten. Etwas gruselig sein Satz: Wir müssen nur mal auf die Philippinen gucken, da sitzen jede Menge Bewerberinnen auf gepackten Koffern. Erhellend dagegen seine Rechnung für die Zukunft: Bis 2030 müssen 80 Milliarden Euro in neue Heime investiert werden. 

Warum Frank Plasberg offenbar schon in Urlaubsstimmung war

Was wünschen sich pflegebedürftige Angehörige?

Ruth Schneeberger gibt zu, dass selbst sie – mit einem Anwalt (ihr Bruder) an ihrer Seite – nur schwer das Dickicht der Angebote zur (auch finanziellen) Unterstützung durchdringen konnte. „In München gibt es nicht mal Pflegestützpunkte“. Da haben es Menschen in NRW besser, dem Appell der Journalistin zu folgen: Angehörige, holt Euch mehr Hilfe, sonst besteht die Gefahr, dass ihr ausbrennt und zusammenklappt.

Was wünscht sie sich grundsätzlich? Mehr Empathie bei allen, die in Pflegeberufen tätig sind. Und: Nicht nur eine moralische Aufwertung der zu Hause Pflegenden, sondern auch eine bessere Vergütung. Ihre Mutter wurde, nachdem Ersparnisse ausgegeben, das Eigenheim verkauft und auch dieses Geld aufgebraucht war, zum Sozialfall. Es dürfe, sagt sie, nicht arm machen, wenn man sich für häusliche Pflege entscheidet und seinen Beruf aufgibt oder zurückstellt.

Was sagt der Experte von „Report“?

Gottlob Schober ist nach einer halben Stunde der erste, der zugibt, dass das Altenpflegesystem längst zusammengebrochen wäre ohne die polnischen, rumänischen oder litauischen Pflegekräfte, die Familien - von denen privat nur mäßig bezahlt - unterstützen, die ihre Angehörigen zu Hause betreuen. Und das sind inzwischen zwei Drittel aller Pflegebedürftigen. Wir haben, sagt Schober, uns nur Zeit gekauft und ein Parallelsystem aufgebaut. Jetzt aber werde es zunehmend schwer, auf die östliche Unterstützung zu hoffen: In Polen und Rumänien herrsche inzwischen ebenfalls Personalmangel in der Pflege.

Und wer soll eine bessere Pflege bezahlen?

Die gute Nachricht zuerst: 80 Prozent der Deutschen wären bereit, mehr in die Pflegeversicherung einzuzahlen. Gesundheitsminister Spahn nennt sogar eine Summe: Allein 20 bis 25 Euro pro Person und Monat wären nötig, um die jetzigen Lücken der Pflegeversicherung aufzufüllen. Entsprechend mehr, um die Ausstattung der Pflege nachhaltig zu verbessern.

Was fehlte in der Sendung?

Wirklich Neues, es wurde weitgehend wiedergekäut, was ähnliche Sendungen thematisch schon Dutzende Male abgegrast haben.
Immerhin wurde die Frage, ob man mit Pflegeheimen überhaupt Rendite machen dürfe - worauf kräftig in dieser Branchen einkaufende Investoren hinweisen - angerissen. Aber: Wie teuer ist gute Pflege wirklich? Sollte man privat zusätzlich vorsorgen? Warum funktioniert Pflege in den Niederlanden oder Skandinavien viel besser? Übrigens: so viel besser, dass deutsches Personal schon ins Nachbarland oder die Schweiz abwandert……

Wie finanzieren diese Länder das? Was wäre in Deutschland möglich? Das hatte die vorhergehende Sendung angedeutet: Indem jeder einen Basisbetrag zahlt - und der Staat den Rest drauflegt. „Hart aber fair“ aber nahm den Ball nicht auf. Ein unverzeihlicher professioneller Ballverlust. Am Ende verabschiedete sich ein - gelinde gesagt - weit unter Form agierender Frank Plasberg offenbar schon so in Urlaubsstimmung, dass er sogar seine rituelle Schlussfrage vergaß.

Was war gut?

Dass jetzt erstmal Sommerpause ist und das „Hart aber fair“-Team Zeit hat, die Sendung gründlich zu renovieren. Sie ist so erstarrt, das man selbst beim Wort Faktencheck den Kalk rieseln hört und ermattet den Tagesthemen entgegendämmert.