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"Hart aber fair" Hart aber fair mit Frank Plasberg zu Mietwucher und Wohnungsnot: "Enteignungen ein Stück aus dem Tollhaus"

Von Michael Kohler 12.03.2019, 09:00
Die Runde bei „Hart aber fair“ diskutierte über Wohnungsnot.
Die Runde bei „Hart aber fair“ diskutierte über Wohnungsnot. WDR/Oliver Ziebe

Köln - Der Wohnungsmarkt entwickelt sich allmählich zum Murmeltiertag der politischen Talk-Shows - allein Frank Plasberg widmete dem Thema in der letzten zwei Jahren drei Sendungen. Im Mai 2018 hieß es „Mieten zu hoch, Bauen zu teuer - wenn wohnen arm macht", jetzt fragte Plasberg: „Menschenrecht Wohnen – in Deutschland leider unbezahlbar?"

Allerdings macht diese Wiederholungsschleife durchaus Sinn, denn die Lage hat sich eher verschlechtert als verbessert. Die alles entscheidende Frage lautet daher: Sind die geladenen Politiker und Experten klüger als zuvor?

Wer durfte mitreden?

Katarina Barley
Die Justiz- und Verbraucherministerin der SPD machte große Augen, als die Linke Lucy Redler andeutete, man könnte Wohnungskonzerne auch symbolisch mit einem Euro pro Wohnung entschädigen. Enteignungen seien kein Wunschkonzert, wandte sie dagegen ein, und auch keine Strafmaßnahmen. Enteignungen seien vielmehr das letzte Mittel, wenn auch keinesfalls ein Tabu.

Jürgen Michael Schick
Der Präsident des Immobilienverbandes IVD beklagte, dass die Diskussion um bezahlbaren Wohnraum schon Jahre gehe, ohne dass es besser werde. Seine Lösung: weniger Bauvorschriften, mehr Angebot. „Zwei Jahre wird gebaut, acht Jahre muss geplant werden.“ Unter den drei größten Preistreibern am Wohnungsmarkt fehlt bei ihm wenig überraschend die Immobilienindustrie. Es sind der Staat, der Grundstücke zu teuer verkauft, die vielen Bauvorschriften und die zeitraubende Bürokratie. Mit anderen Worten: Der Markt soll es vor allem richten.

Lucy Redler
Die Berliner Politikerin der Linken wohnt in einer Genossenschaftssiedlung, wo es vergleichsweise paradiesisch zugehen muss. Gerade deswegen beklagt sie den „Mietenwahnsinn“ und fordert die Enteignung privater Immobilienkonzerne wie die Deutsche Wohnen. Enteignung ist so radikal wie die Wirklichkeit am Wohnungsmarkt, findet sie: „Das ist hart aber fair, Herr Plasberg.“ Schlug Herausmodernisieren als Unwort des Jahres vor. Das wäre tatsächlich keine schlechte Wahl.

Nicola Beer
Die Generalsekretärin der FDP sagt, was Verfechter der Marktwirtschaft so sagen: Der Staat sei der größte Preistreiber mit seinen zahllosen Bauvorschriften, Permanente staatliche Eingriffe schadeten eher als sie helfen, wenn mehr und schneller gebaut würde, entspannte sich auch der Wohnungsmarkt. Bekommt überraschenderweise keine Schnappatmung beim Thema Enteignung und plädiert dafür, dass man Normalverdiener in die Lage versetzen müsse, sich Eigentumswohnungen leisten zu können.

Michael Schumacher
Der Frankfurter Architekt ist der spät gezogene Joker der Sendung. Schumacher hat in China schon ganze Stadtteile gebaut und versucht gerade, auch Frankfurt mit bezahlbaren Mietwohnungen zu versorgen. Sein Vorschlag zum günstigen Wohnungsbau: Leitungen über Putz, Treppenhäuser vor der Fassade, das Wohnzimmer gleich hinter der Eingangstür. Auch der Architekt beklagt den Wildwuchs an Bauvorschriften.

Was macht Plasberg?

Der Moderator ist gut vorbereitet und als Dompteur beinahe unterfordert. Jürgen Michael Schick verweigert er die Solidarität unter Männern, als der sich von der Mehrheit der Frauen untergebuttert fühlte. Alles andere wäre allerdings auch ziemlich albern gewesen.

Überhört dafür lange Katarina Barleys Flehen, noch etwas zur Maklercourtage sagen zu dürfen: „Sie können mir gleich zur Seite springen.“ 

Wie hoch war der Erregungsfaktor?

Frank Plasberg staunt selbst, dass man im deutschen Fernsehen zehn Minuten seriös über Enteignungen diskutieren kann, ohne dass sich jemand darüber empört. Lediglich der Immobilienmakler Schick macht da nicht mit: „Enteignungen sind ein Stück aus dem Tollhaus.“ Die Diskussion beruhigt sich wieder, als eine Polizistin aus Castrop-Rauxel von ihren Erfahrungen als Pendlerin berichtet. Sie stehe täglich um vier Uhr morgens auf, aber eine Eigentumswohnung am Arbeitsplatz Düsseldorf sei für sie eben nicht bezahlbar.

Was haben wir gelernt?

Unglaubliches: Am Münchner Wohnungsmarkt ist nicht die SED schuld. In NRW ist man mit der Bahn schneller unterwegs als mit dem Auto, und das neue Maklercourtage-Gesetz wird die Ungerechtigkeiten am Wohnungsnot nicht mit einem Schlag beheben. Spätestens in sechs Monaten steht wohl die nächste Sendung zum Thema an.