1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. TV & Streaming
  6. >
  7. "Hart aber fair": "Hart aber fair" mit Frank Plasberg: Lamya Kaddor attackiert Ditib für Kölner Friedensmarsch-Absage

EIL

"Hart aber fair" "Hart aber fair" mit Frank Plasberg: Lamya Kaddor attackiert Ditib für Kölner Friedensmarsch-Absage

Von Michael Kohler 19.06.2017, 21:26

Worum ging es?

Nach jedem Terrorangriff heißt es gebetsmühlenartig, dass wir unser Leben nicht ändern dürfen, sonst hätten die Terroristen ihr Ziel erreicht. So gut dies klingt: Wie geht man mit der alltäglichen Bedrohung um? Gibt es ein Bürgerrecht auf Angst? Und hat sich unser Blick auf „das Fremde“ nicht schon längst verändert? Um diese zentralen Fragen kreiste die von Frank Plasberg moderierte Sendung.

Wer durfte mitreden?

Georg Mascolo, Deutschlands oberster Investigativ-Journalist und ARD-Terrorismusexperte prophezeite, dass es mehr oder auch infamere Anschläge des „IS“ geben werde, weil die Terroristen den Gewöhnungseffekt in den westlichen Gesellschaften durchbrechen wollen. Später sagt er dann, dass wir möglicherweise aber auch gerade vor friedlicheren Zeiten stehen. Also: Nichts Genaues weiß man nicht. Oder in Mascolos Worten: „Es gibt auf die meisten guten Fragen derzeit leider keine guten Antworten.“

Dietmar Heubrock, der Bremer Diplom-Psychologe und Polizeiberater stellte eingangs fest, dass wir uns schon an den Terror schon gewöhnt hätten, denn das sei ein menschlicher Selbstschutz-Mechanismus, um nicht in Schockstarre zu verfallen und handlungsfähig zu bleiben. Allgemeine Rezepte wollte er nicht ausstellen, denn: "Menschen reagieren unterschiedlich und alles ist berechtigt." Seine psychologischen Einsichten waren mal recht einsichtig ("Schwer bewaffnete Polizisten vermitteln eher ein Gefühl der Unsicherheit") und mal leicht spekulativ: "Absolute Sicherheit gibt es nicht und das können gerade wir Deutsche nur schwer akzeptieren." 

Thomas Strobl, CDU-Innenminister von Baden-Württemberg, markierte glaubwürdig den starken Mann und tat, was er tun musste: Die Arbeit der Polizei und der „viel gescholtenen“ Geheimdienste loben. Dank deren Arbeit wurden „viele schreckliche Anschläge in Deutschland verhindert“, sagte er, fügte aber auch hinzu: „Wir haben auch viel Glück gehabt.“ Was eher nicht für die Arbeit der Geheimdienste spricht. Er riet von Heldenmut ab, denn dafür gebe es Polizisten. Die stünden schließlich „für den Fall der Fälle“ schwer bewaffnet auf Bahnhöfen oder Volksfesten herum und würden sich auch mal über ein nettes Wort vom beschützen Bürger freuen.

Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin, hatte zum Kölner Friedensmarsch „Muslime gegen den Terror“ aufgerufen und wurde von Frank Plasberg gefragt, wie enttäuscht sie von der Teilnehmerzahl gewesen sei. Enttäuscht zeigte sich Kaddor aber nur über den Vorstand der Ditib, dem sie tagelang hinterher gerannt sei, um ihn als Unterstützer ihres Aufrufs zu gewinnen. Dessen Begründung, nicht mitzumarschieren, es sei Ramadan, nannte sie fadenscheinig. Zum Verhältnis von Islam und islamistischen Terror sagte sie: „Ich habe nichts mit Terroristen zu tun, außer dass sie dummerweise die gleiche Religion wie ich haben.“ 

Julia Schmitz, die Kölnerin überlebte 2015 den islamistischen Anschlag auf die Pariser Konzerthalle Bataclan, war aber nach eigener Einschätzung zu dickköpfig, um ihr Leben danach zu ändern. Sie geht weiterhin auf Konzerte, auch wenn sie mittlerweile begriffen habe, dass ihr Überleben einem Wunder gleicht. Auf den Kölner Friedensmarsch angesprochen, sagte sie: „Ich hätte mir ein stärkeres Zeichen der deutschen Muslime gegen den islamistischen Terror gewünscht.“

Susanne Lenz, die Feuilleton-Redakteurin der "Berliner Zeitung" ging nach dem Anschlag von Berlin mit ihren beiden Töchtern nicht mehr auf den Weihnachtsmarkt, schrieb darüber und bekam viel Zustimmung. Sie findet, Angst sei menschlich und gehöre zum Leben dazu, und glaubt bemerkt zu haben, dass wir das Grundvertrauen darauf verloren haben, dass "einem der Mensch neben mir nichts tut".

Was machte Plasberg?

Entschuldigte sich beim Psychologen Heubrock dafür, dass er ihn ständig um seine fachliche Einschätzung fragte. Dafür fiel ihm lange wenig bis nichts zu Lamya Kaddor ein. Hatte sich die Islamwissenschaftlerin aber nur für das Finale aufgespart.

Wie hoch war der Erregungsfaktor?

Wohltuend gering. Lediglich Thomas Strobl konnte nicht ganz aus seiner Berufspolitiker-Haut und verfiel gelegentlich in den Bierzelt-Modus: „Wir feiern unsere Feste weiter. Wir lassen uns unser Schweineschnitzel nicht verbieten.“

Was haben wir gelernt?

Für aufmerksame Zeitgenossen gab es wenig Neues, interessant wurde es eigentlich nur, wenn Dietmar Heubrock aus dem psychologischen Nähkästchen plauderte. So bleiben deutsche Polizisten gegen seinen Rat derzeit noch davon verschont, das Schießen auf Frauen und Kinder zu trainieren. Außerdem sind Attentäter vor der Tat hoch gestresst und möglicherweise daran zu erkennen, dass sie ständig an einer Coladose nippen, ohne wirklich zu trinken. Die tröstlichste Erkenntnis des Abends war dagegen ein Gemeinplatz: Es hilft, darüber zu reden. Insofern war es mal wieder eine gute Sendung.