1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. TV & Streaming
  6. >
  7. Der Tatort frisst viel Strom: Der Tatort frisst viel Strom: So hoch ist die Umweltbelastung durch Streaming

Der Tatort frisst viel Strom Der Tatort frisst viel Strom: So hoch ist die Umweltbelastung durch Streaming

Von Mechthild Henneke 13.09.2019, 09:07
Sich Filme - zum Beispiel einige Tatort-Folgen - auf das iPad herunterzuladen, wird immer beliebter.
Sich Filme - zum Beispiel einige Tatort-Folgen - auf das iPad herunterzuladen, wird immer beliebter. Screenshot ARD.de, dpa

Berlin/Dessau-Rosslau - Klimaaktivisten erhalten zurzeit viel Aufmerksamkeit - auch dank des Internets, das dabei hilft, Informationen auszutauschen, sich zu vernetzen und Aktionen zu dokumentieren. Dass die Umweltschützer mit ihren Netzaktivitäten selbst CO2 -Abdrücke hinterlassen, wird selten thematisiert.

Dabei ist es wichtig, über Digitalisierung und Nachhaltigkeit nachzudenken. Denn bei jedem Griff zum Handy dreht sich irgendwo ein Stromzähler. „Beim Surfen wird Energie verbraucht, die nicht in der eigenen Stromrechnung erfasst ist“, sagt Marina Köhn von der Beratungsstelle nachhaltige Informations- und Kommunikationstechnik im Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau. „In dem Moment, wo ich das Smartphone aktiviere, löse ich in einem Rechenzentrum eine Anfrage aus, die alle meine Konten auf neue Nachrichten überprüft“, nennt sie als Beispiel.

Bei dieser Aktion wird - das ist offensichtlich - Energie vom Handy verbraucht. Doch die Mobilfunkantennen, über die die Anfrage weitergeleitet wird, ziehen ebenfalls Strom und das Rechenzentrum, das die Konten überprüft, benötigt auch Energie, um diese zu bearbeiten. Dasselbe geschieht, wenn die Antwort zurückgesendet wird.

Stromverbrauch durch Datennutzung ist im Visier der Green-IT-Experten

Wie viel Energie an den drei Stationen exakt anfällt, wird derzeit vom Umweltbundesamt in Kooperation mit Forschungseinrichtungen untersucht. Im kommenden Jahr soll es exemplarisch konkrete Zahlen zum Stromverbrauch von ausgewählten Internet-Anwendungen geben.

Klar ist bereits, dass das Ansehen von Filmen im Netz, das Streaming, hoch zu Buche schlägt. „Videos oder Filme im Internet zu streamen, macht rund 80 Prozent des Gesamtvolumens des weltweiten Datenverkehrs aus“, sagt Marina Köhn. Statt den Tatort am Sonntagabend im Fernsehen anzuschauen, starten nicht wenige den Film wenig später, wenn sie vom Grillen nach Hause kommen oder die Küche nach dem Abendessen aufgeräumt ist. Nicht selten sehen Eltern und Kinder dieselben Filme in verschiedenen Zimmern auf ihren Rechnern.

Köhn gefällt das überhaupt nicht. „Besser wäre es, Filme dann zu gucken, wenn sie ausgestrahlt werden oder zumindest gemeinsam“, sagt die Expertin.

Der Stromverbrauch durch Datennutzung ist im Visier der Green-IT-Experten. Im Jahr 2015 gab es eine Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration zur Entwicklung des IKT-bedingten Strombedarfs in Deutschland.

Intensivere Internetnutzung: Hoher Stromverbrauch durch Streaming

Diese prognostizierte, dass der Jahresenergiebedarf von Telekommunikation und Rechenzentren von etwa 17 Terawattstunden (TWh ) im Jahr 2010 auf 25 TWh im Jahr 2025 ansteigen wird. „Diese negative Entwicklung ist primär auf eine intensivere Internetnutzung zurückzuführen“, heißt es in der Begründung. Als Hauptursache wird das Streaming genannt.

Die Rechenzentren werden immer größer gebaut, denn sie müssen für Spitzenzeiten bereit sein - beispielsweise für Endspiele einer Fußballweltmeisterschaft. Dann sollen auch die Handynutzer, die im Park oder am Badesee live dabei sein möchten, nicht enttäuscht werden. Die Folge ist, dass die Rechenzentren überdimensioniert sind und der größte Teil der Kapazitäten meistens brach liegt. Denn: Montagmorgens gibt es keine Endspiele. Die Server brauchen aber auch dann Strom und müssen gekühlt werden, wenn sie keine Leistung erbringen.

Rechenzentren und Server effizienter zu machen, ist daher das Ziel vieler Bemühungen. „Es gibt eine Daumenregel, nach der sich die Rechenleistung von Computern alle zwei Jahre verdoppelt - bei gleichbleibendem Energieverbrauch“, sagt Jens Gröger, der beim Öko-Institut, einer Forschungs- und Beratungseinrichtung mit Hauptsitz in Freiburg, für nachhaltige Informationstechnik zuständig ist.

Mehrbedarf an Rechenleistung steigt schneller, als die Geräte effizienter werden

Doch der technische Fortschritt hinkt der Nachfrage hinterher. Der Mehrbedarf an Rechenleistung steigt schneller, als die Geräte effizienter werden. „Früher wurden SMS versandt, heute sind es Fotos. Sobald es einen Effizienzsprung gibt, wird dieser durch einen steigenden Bedarf überkompensiert“, sagt Gröger, der im Berliner Büro des Öko-Instituts tätig ist.

Um den Energieverbrauch von Software transparent zu machen, forscht Gröger derzeit im Auftrag des Umweltbundesamts an einem Blauen Engel für Software. Ein solches Umweltsiegel ist für IT-Geräte bereits etabliert. Eine Untersuchung, die Gröger gemeinsam mit der Hochschule Trier und der Universität Zürich gemacht hat, ergab, dass Internetbrowser und Textverarbeitungsprogramme einen unterschiedlichen Bedarf an Hardwareressourcen und damit an Stromverbrauch haben. Die Ergebnisse der Studie sind auf der Website des Umweltbundesamtes veröffentlicht. Ein Kriterium für den Blauen Engel für Software soll zum Beispiel sein, dass ein Programm auch auf älteren Rechnern läuft oder dass Aktualisierungen nicht die Anschaffung neuer Geräte erfordern, sagt Gröger.

Die Herstellung von Laptops oder Smartphones ist nämlich wesentlich umweltbelastender als deren Nutzung, hat Gröger herausgefunden. „Notebooks verursachen bei der Herstellung 250 Kilogramm CO2 -Emissionen und in der Nutzungsphase 25 Kilogramm pro Jahr.“ Ein Notebook auszutauschen, weil es weniger Energie als das alte verbraucht, sei kein Beitrag zum Klimaschutz.

Gröger: „Selbst wenn das neue Notebook nur die Hälfte an Energie benötigt und somit 12,5 Kilogramm CO2 pro Jahr einspart, müsste das neue Gerät 20 Jahre lang genutzt werden, um den Herstellungsaufwand wieder wettzumachen.“ Letzterer ist deshalb so hoch, weil Halbleiter und Leiterplatten in energieaufwendigen Prozessen hergestellt werden müssen.

„Wichtig ist, nicht nur auf Energieverbrauch, sondern auch auf Ressourcenverbrauch zu achten“

Ein Fokus von Gröger und Köhn richtet sich deshalb auf die Hardware, die möglichst langlebig sein sollte. Ihre Nachhaltigkeitsanalysen untersuchen den Lebensweg eines Produkts von der Herstellung bis zur Entsorgung und nicht nur die Nutzung. „Wichtig ist, nicht nur auf Energieverbrauch, sondern auch auf Ressourcenverbrauch zu achten“, sagt er. Viel smarte Technologie veralte schnell und verlange dann nicht nur neue Programme, sondern auch neue Geräte. Solche Umweltwirkungen bei der Digitalisierung zu berücksichtigen, nennt Gröger „Nebenwirkungen mitdenken“.

Da mancher Geräteaustausch notwendig wird, weil die Softwarehersteller neue Programme auf den Markt bringen, die mehr Arbeitsspeicher und schnellere Prozessoren erfordern, rät Gröger zu Open-Source-Software. Solche kostenlose Programme haben oft längere Supportzeiträume und die Anforderungen an die Hardware sind meist deutlich bescheidener. Eine Alternative zum neuen Rechner seien außerdem generalüberholte Geräte. Gröger: „Gebrauchte Hardware von professionellen Händlern läuft gut und gerne noch weitere fünf bis sechs Jahre.“

CO2 -Bilanz von Computern

Herstellung: Viele Computer werden in China hergestellt. Dort wird noch ein großer Anteil Strom in Kohlekraftwerken produziert. Die Herstellung eines Laptops mit HDD-Festplatte verursacht nach Angaben des Freiburger Öko-Instituts 250 Kilogramm CO2 , die Herstellung eines Laptops mit einer SSD-Festplatte sogar 310 Kilogramm. Bei einem Mini-PC mit HDD-Festplatte sind es 190 Kilogramm CO2 . Enthält das Gerät eine SSD-Festplatte, sind es 250 Kilogramm. Die Herstellung eines Desktop-PC erzeugt 350 Kilogramm CO2 .

Betrieb: Bei der Nutzung des Laptops werden durch den Energieverbrauch rund 25 Kilogramm CO2 pro Jahr freigesetzt. Bei der Nutzung eines Mini-PC fallen etwa 35 Kilogramm CO2 pro Jahr an. Ein Desktop-PC führt zu rund 50 Kilogramm CO2 -Emissionen pro Jahr. (mz)