TV-Tipp Anklage aus dem Grab: neue Staffel „Die Macht der Kränkung“
Anspruchsvolles Fernsehen mit viel Psychologie: Ein Hochglanzformat um Weichenstellungen im Leben hat frische Folgen bekommen. Zuschauer können auf ZDFneo völlig neu einsteigen - und sie sollten es auch.

Berlin - Dass sich der Verstorbene zu Wort meldet - damit hat die Trauergemeinde nicht gerechnet. David (Golo Euler) wurde nur Mitte 40, in den Wochen nach der aussichtslosen Diagnose war der erfolgreiche Architekt immer einsamer - trotz Beziehung, trotz Freunden, trotz Familie. Am Ende fuhr er mit seinem Auto in den Tod.
Im Abschiedsbrief aus dem Grab rechnet David ab: „Ich werde sterben - bald. Ist Euch aufgefallen, dass keiner von Euch das je deutlich ausgesprochen hat? Ihr wart alle zu feige für die Wahrheit, als wäre mein Sterben ansteckend.“ Sein früher Tod passe nicht ins Bild. „Mein Sterben hinterlässt unschöne Risse in Eurer ach so heilen Fassade. Aber wenn Ihr auch noch so sehr wegseht: Ihr habt alle Euren Anteil daran. An meinem Leben, an meinem Sterben, an meinem Tod.“ So beginnt die zweite Staffel des ZDF-Hochglanzformats „Die Macht der Kränkung“.
Der neue Durchgang „Am Ende“ hat mit den ersten Folgen des Formats, die 2021 unter dem Titel „Am Anschlag“ liefen, inhaltlich nichts zu tun. Man kann also als Zuschauer an diesem Mittwoch (17.5.) um 21.45 Uhr auf ZDFneo völlig neu einsteigen.
Verschiedene Perspektiven
Und das sollte man auch tun, nicht nur wegen der herausragenden Schauspielerriege. „Die Macht der Kränkung“, inspiriert durch einen Bestseller des Psychiaters Reinhard Haller, rollt ein Leben von hinten auf, vollzieht wichtige Weichen nach, die einen Menschen prägen. Diese Erlebnisse haben oft mit Rückschlägen, Enttäuschungen und Kränkungen durch das Umfeld zu tun. Alles was man in seinem Leben tut, beeinflusst andere - das ist die Grundthese des Sechsteilers. Jede Episode zeigt die Perspektive eines Beteiligten.
Davids anklagender Brief lässt schwelende und Jahre totgeschwiegene Konflikte offen ausbrechen. Während sich die von ihm gesäte Kränkung ausbreitet wie ein ansteckendes Virus, und man beginnt, sich gegenseitig zu bezichtigen, greift eine zweite Erzählebene zurück in die Vergangenheit. „So entsteht wie aus Puzzlesteinen nicht nur ein Bild des Verstorbenen, sondern auch aller anderen Protagonisten. Ein Reigen der Kränkungen“, wie das ZDF das Drehbuch gut zusammenfasst.
Zu dem hochkarätigen Cast zählen neben Euler etwa auch Barbara Auer, Thomas Thieme, Philip Froissant, Angelina Häntsch, Luise Hart und Mohamed Achour. „Den Ansatz, dieselbe Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln zu erzählen, fand ich von Anfang an spannend“, sagte Euler im ZDF-Interview. „Außerdem, dass diese Geschichte sich nicht bemüht, noch nie Dagewesenes zu erzählen, sondern eigentlich nur das Leben gewöhnlicher Menschen begleitet, dabei aber zeigt, wieviel Drama und Aufs und Abs so ein gewöhnliches Leben bereithalten kann.“