TV-Kritik zu Reinhold Beckmann TV-Kritik zu Reinhold Beckmann: Überraschendes Fernsehen geht anders

Auch in seiner letzten Talkshow blieb er nicht aus, dieser typische Beckmann-Moment. Der Gastgeber hatte mit Gästen das Thema der Sendung "Menschen auf der Flucht, letzte Rettung Europa?" ausgebreitet, es ging also um die europäische und deutsche Asylpolitik, als Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, eine bessere Seenot-Rettung forderte, damit Flüchtlinge, die Hilfe auf den Meeren benötigen, auch gerettet werden können.
Das war der Moment, in dem es kontrovers hätte werden können, denn im Studio saß auch Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD). Was sagt die Politik zu diesem Vorschlag? 3000 Menschen sind allein in diesem Jahr bei dem Versuch, mit Schiffen oder Booten nach Europa zu kommen, ertrunken. Was also tun, Herr Gall? Burkhardt sprach den Politiker direkt an, doch Beckmann nahm die Vorlage nicht auf, er ließ diese Gelegenheit zu einer kontroversen Diskussion verstreichen, richtete seine nächste Frage an den Print-Journalisten Heribert Prantl. Der lieferte viele kluge Beiträge an diesem Abend, mit seiner pointierten Sprache belebte er die Runde, doch in diesem Moment war die Spannung raus, die Möglichkeit eines Streitgesprächs vergeben. Wieder einmal.
Wo ist der Notausgang?
Der Wunsch, unangenehmen Momenten auszuweichen, hat Beckmann den Ruf eingebracht, ein "Menschenflüsterer mit Warmduscherflair" zu sein, wie der Spiegel schrieb, oder als "Epigone des Generellen" (Die Zeit) bezeichnet zu werden. Immer dann, wenn es in seiner Sendung in den vergangenen Jahren knifflig werden konnte für den Moderator, wenn es darum ging, nachzubohren, dranzubleiben und den Studiogast mit unangenehmen Fragen zu konfrontieren, wählte Beckmann lieber den Notausgang, blickte seinen Gesprächspartner skeptisch, aber mitfühlend an und wechselte dann verständnisvoll zum nächsten Thema. Das brachte ihm, wie später im Rückblick zu sehen war, viele prominente Gäste, aber eben nie die Anerkennung, ein herausragender Interviewer zu sein.
Dabei hat der 59 Jahre alte Beckmann eine Gabe, um die ihn wahrscheinlich viele Fernseh-Macher beneiden. Er scheint keine Angst vor der Kamera zu haben, auch das wurde in seiner letzten Sendung deutlich. Tonfall, Gestik und Mimik passen zu diesem Medium, auch findet Beckmann gute und passende Fragen zu jedem Thema, doch wenn es kritisch wird, dann sucht er den Fluchtweg.
Jetzt ist also Schluss, 15 Jahre hat er die Talkshow moderiert, 624 Sendungen sind ausgestrahlt worden, zuletzt mit einem Konzept, das sich kaum von dem der anderen Talkshows im deutschen Fernsehen unterschied. Und da waren die Zuschauer am Donnerstagabend nach einer langen Talkshow-Woche in der ARD offensichtlich müde. Beckham passte das Gerede um seine Sendung und die Einschaltquoten nicht, deshalb gab er freiwillig auf.
Als junger Mann hat er das Fernsehen mit seinem Mut und seiner Unbefangenheit revolutioniert, zumindest die Sport-Berichterstattung bei Sat.1. "Ran" hieß die Fußballshow Anfang der 90er-Jahre, in der neue Kameraführungen, neue Interview-Techniken und viel Statistik eingeführt wurden. Der Privatsender profitierte von der Innovation, Beckmann galt als talentierter Fernsehmann und bekam vor 15 Jahren die Talkshow mit seinem Namen in der ARD.
In seiner letzten Sendung wählte er das Thema, das vor ihm Maybrit Illner bei der Konkurrenz im ZDF auch diskutiert hatte, und der Tisch im Studio glich auch der der Konkurrentin des zweiten Programms. Irgendetwas Neues hatte Beckmann in diesem Talkshow-Format bis zum Schluss nicht zu bieten.
Auch nicht bei der Verabschiedung ganz am Ende. Ein paar sentimentale Worte, Applaus von den Gästen, dann erhob er sein Wasserglas und verabschiedete sich. Ganz anständig, aber aufregendes, überraschendes Fernsehen geht anders.