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TV-Kritik zu "Hart aber fair" TV-Kritik zu "Hart aber fair": Im Land der OP-Weltmeister

Von Barbara A. Cepielik 02.06.2014, 21:41
Faktenchecker Frank Plasberg bei „Hart aber fair“ (ARD).
Faktenchecker Frank Plasberg bei „Hart aber fair“ (ARD). ARD Lizenz

Köln - Ja, so geht das anscheinend. Kaum hat es über ein paar Sendungen hinweg in Reihe  Kritik daran gegeben, dass Frank Plasberg bei "Hart aber fair" zu oft unterbricht und zu eitel wirkt - schon macht er alles anders und versemmelt den Abend. Die Gäste durften einander ohne Ende ins Wort fallen, und der Erkenntnisgewinn blieb gering. Trotz - sagen wir es mal so - eines Faktenchecks, der grandios hätte sein können. Und eines Themas, das einen selbst an einem lauen Sommerabend vors Fernsehen hätte locken können: „Profit vor Patient? Wie krank sind unsere Krankenhäuser“.

Vor der Sendung lief ein Tierfilm, in dem kleine Schildkröten sich ins Meer robbten und in den Fluten des Meeres versanken. Und so versank auch die Diskussionsrunde in einem Meer aus ...  falsch gesetzten Schwerpunkten.

Wer war denn dabei? Außer Frank Ulrich Montgomery, dem Präsidenten der Bundesärztekammer, kein Prominenter. Paul Brandenburg, Arzt und klinikkritischer Autor, Michael Philippi, Chef der Sana-Kliniken, Cornelia Prüfer-Storcks (SPD, Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz), Burkhard Kirchhoff, Patientenanwalt.

Die erste halbe Stunde verfloss in einer wortgewaltigen Debatte um Cheftarzt-Boni und darum, ob Patienten Kunden sein sollen. Solle sie irgendwie nicht. Sondern Menschen. Aber das verhindern - so die Botschaft - Verwaltungsdirektoren, die die Ärzte zu unnötigen Operationen verleiten, um die Kliniken zu belegen. Die Teams sind überfordert, an Personal wird oft gespart. Das ist sicher vielfach so. Aber bei Plasberg ist kaum die Rede von der anderen Seite - von Patienten, die Wochen oder Monate auf eine OP warten. Und die sauer sind, wenn nicht der Chefarzt sie operiert.

Reden wir über Keime

Was staunenswert ist am deutschen OP-System, kam nur am Rande vor: Dass  nirgendwo in der Welt mehr Operationen zu Buche schlagen als hierzulande (16 Millionen), dass beispielsweise die allseits beliebte „Knie-Spiegelung“  in Deutschland so häufig durchgeführt wird wie sonst nirgendwo - und in Nachbarländern als nicht wirkungsvoll gilt. Und so fort. An diesem Konzept-Manko änderte nichts,  dass der tragische und kaum fassbare Paradekunstfehler eines Berliners ausgerechnet mit einer Knie-OP zu tun hatte.

Patienten  jammern, dass sie nicht gut behandelt werden und unter den Fallpauschalen leiden. Gleichzeitig sind 50 Prozent der Klinken im Land nicht rentabel. Wie passt das zusammen? Nur viel zu wenige Sätze dazu. Eine verpasste Chance.

Immerhin wurde lange über die mangelnde Krankenhaushygiene gesprochen, über die multiresistenten  Keime, die Zehntausende unnötige Todesopfer fordern - und die schon in den benachbarten Niederlanden keine Thema sind. Aber musste Plasberg denn plakativ behaupten, jeder Krankenhausmitarbeiter müsste sich streng genommen zwei Stunden pro Schicht die Hände desinfizieren - was nicht geschieht? Eine blöde Hochrechnung  Immerhin: 40 Prozent der Krankenhausmitarbeiter sehen Hygieneprobleme, teilte ein Zwischenfilmchen mit. 20 Prozent würden sich im eigenen Haus nicht operieren lassen.

Viele Kliniken schließen Abteilungen, das ist die alltägliche Erfahrung der Menschen. Aber nicht jedes Krankenhaus muss jede Spezial-Behandlung ermöglichen können - so lautete die Botschaft, eine Spezialisierung sei unumgänglich und gewünscht. Das ist die Realität. Patienten mögen sich erkundigen, Zweit- und Drittmeinungen einholen. Tja, aber kein Hinweis darauf, dass man wochenlang auf Termine warten muss. Auch keiner darauf, dass Krankenversicherungen seit langem Listen über spezialisierte Krankenhäuser auch online anbieten. Aber auch kein Wort dazu, dass man viele Kilometer fahren muss, um sie zu erreichen. Das Sylter Beispiel über eine geschlossene Geburtsabteilung war wenig geeignet, das Problem zu illustrieren. Ein Gang aufs platte Land hätte eindrucksvoller gewirkt. Wen schert schon eine Millionärsinsel?

Sandra Maischbergs Thema am Dienstagabend ist „Warum brauchen wir Alkohol?“

Unkorrekt angemerkt: Nicht nur zum Desinfizieren in Krankenhäusern. Auch nach solchen Sendungen.