TV-Kritik zu "Hart aber fair" TV-Kritik zu "Hart aber fair": Die Schattenwelt bleibt dunkel

Würden bei Frank Plasberg Gäste auch mit halbverschatteten Gesichtern gezeigt - wie alle Interviewpartner in der in raunendem Ton gehaltenen Mafia-Sendung auf der ARD zuvor? Oder würde sich die vorab geführte, überraschend differenzierte Debatte aus dem Online-Gästebuch fortsetzen? Das war eine spannende Frage am Montagabend. Die Themenstellung „Mafia, Jugend-Banden und Clans - wer hat die Macht auf unseren Straßen?“ ließ das nicht erwarten. Aber der Weg des Boulevard-Journalismus, den Frank Plasberg bisweilen beschreitet, ist breit. Und immer für positive wie negative Überraschungen gut.
Um es vorweg zu nehmen: Die Sendung verlief kultiviert. Für all diejenigen, die Krawall erwartet hatten, vielleicht sogar zu brav.
Plasberg mühte sich nach Kräften, all die Ängste und Befürchtungen aufzunehmen, die durch die Gesellschaft wabern. Provozierte markant bis geradezu populistisch. Und erhielt nahezu durchgehend differenzierte Antworten. Er schob sogar nach dem eigentlichen Schlusswort von Brigitte Büscher mit den Zuschaueräußerungen noch einen Film über eine kriminell vielfach in Erscheinung tretende Leverkusener Großfamilie nach, ließ die „Mit wem wollen Sie auf einer einsamen Hütte ein Wochenende verbringen?-Frage“ weg.
Doch es wollte und wollte nichts zünden. Oder war das alles sogar seine Absicht? Ein interessanter Ritt auf der Rasierklinge auf jeden Fall. In einer Sendung, in der ein Staatsanwalt sagen durfte, er fühle sich verarscht bei seinen Ermittlungen gegen Clans.
Viele offene Fragen
Rainer Wendt von der (kleinen) Deutschen Polizeigewerkschaft - als Mann bekannt, der nicht kleckert, sondern klotzt - wusste sich am Ende aufs Wundersamste einig mit allen Mitdiskutanten, dass die hiesigen Gesetze ausreichen, um gegen arabische Clans vorzugehen. Unisono wünschten sich zum Schluss alle allerdings mehr Polizei, besser ausgestattete Gerichte, mehr Sozialarbeiter, bessere Betreuung der Kinder. Volker Beck von den Grünen, die Buchautorin Beamte Krafft-Schöning („Blutsbande") und Walter Wüllenweber (Stern), selbst der bis zur Schläfrigkeit beruhigend wirkende Strafverteidiger Gottfried Reims.
Was ist das Fazit: Über die in Rede stehenden Clans in Berlin oder Bremen existiert möglicherweise ein (auch jüngst in einem Bremer Tatort verbreitetes) verzerrtes Bild, viele Ermittlungsverfahren führen zu keiner Verurteilung. Große Teile der Familien leiden unter der Hetzjagd - wegen weniger krimineller Verwandten. Oder stimmt es doch, dass viele Verfahren scheitern, weil wichtige Zeugen Rückzieher machen, weil sie bedroht werden? Ist es verdächtig, dass immer die gleichen Rechtsanwälte Mandanten aus dem Drogen-, Menschenhändler- und Waffenhandel verteidigen?
Wer lässt wen allein? Ist es normal, wenn Polizisten von einigen Migranten nicht respektiert werden? All diese Fragen wurden gestellt und abgewogen. Aber weder Plasbergs Versuch, italienische Abhörmethoden als Lösung vorzuschlagen, noch eine großangelegte Vorratsdatenspeicherung fanden wesentliche Fürsprecher.
War das jetzt eine ausgewogene, öffentlich-rechtliche Sendung? Oder war es bigott? Hatten alle Kreide gefressen? Weil alle Angst haben vor den Clans? Oder sind die Leute gar nicht so aufgeregt, wie man angesichts mancher Publikationen meinen könnte?
Vorhang zu - und alle Fragen offen.
Am Dienstagabend im ARD-Talk bei Sandra Maischberger geht es weiter. Thema: Feindbild Islam - Wird der Hass geschürt?