1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. TV-Kritik Maybrit Illner: TV-Kritik Maybrit Illner: Rechte Demagogen

TV-Kritik Maybrit Illner TV-Kritik Maybrit Illner: Rechte Demagogen

Von Daland Segler 24.10.2014, 05:45

In Thüringen könnte es demnächst zu einer Landesregierung kommen, der ein Mann von der Partei der Linken vorsteht. Das wäre das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, auch wenn die Linke schon in Landesregierungen vertreten war. Insofern kann man von einer Neuerung sprechen. Aber das genügt politischen Radaubrüdern aus dem rechten Spektrum natürlich nicht.

Und die offensichtlich verzweifelt auf die Quote schielende Redaktion von Maybrit Illner war sich nicht zu schade, auf den Zug der Demagogen aufzuspringen. „Brechen SPD und Grüne ein jahrzehntelanges Tabu, nur um an die Macht zu kommen?“  lautete die Frage im Text zur Sendung. Dass Parteien an die Macht wollen, ist offenbar Beweis einer abgrundtiefen Verworfenheit – noch dazu wenn es nicht Christdemokraten sind...

Aber dafür war wenigstens  ein Christsozialer eingeladen: Markus Söder, inzwischen zum Minister in Bayern aufgestiegener ehemaliger Krawallmacher der CSU. Was der in dieser Sendung zu suchen hatte, bleibt Illners Geheimnis. Aber er hatte – verräterisch genug, die Formulierung vom „Tabubruch“ benutzt, die nun auch im Sendetitel auftauchte: „Thüringer Wendehälse – Tabubruch für die Macht?“.

Auch Lucke durfte seine Tiraden ausbreiten

Söder, bemüht den seriösen Politiker zu geben, war noch nicht die schlimmste Entgleisung bei der Gästeauswahl. Denn auch Bernd Lucke durfte seine Tiraden ausbreiten, Chef der AfD, die immer mal wieder Belege dafür liefert, Rechtsradikale in ihren Reihen zu dulden. Lucke aber hatte zuvor erklärt, er werde mit der Linken – Überraschung – nicht in eine Koalition gehen. Was sollte er dann in dieser Runde? Nun, er sollte ein altes Denkmuster der Konservativen bestätigen, die es in Illners Redaktion ja offenbar zuhauf gibt: Denn die Moderatorin legte es darauf an, Rechte (AfD) und Linke (Dietmar Bartsch) aufeinander loszulassen, um  dem Publikum einen Beweis für das absurde Klischee „Rechtsradikale gleich Linksradikale“ zu liefern. Funktionierte aber nicht. 

Während Lucke sich trotz mehrmaliger Aufforderung Illners, zu seinem Wort von der „Entartung“ der Politik Stellung zu nehmen, erstmal weigerte, konnte Bartsch punkten, in dem er weitgehend ruhig erklärte, warum  die Aufregung um den angeblichen „Tabubruch“ überflüssig sei. Das werde zu einem „Kampfinstrument gemacht“. Was der Verlauf der Debatte bestätigte.

Auch 25 Jahre nach dem Mauerfall muss die Linke immer noch den Demokratietauglichkeits-Nachweis führen, während die ehemaligen Blockflöten der CDU, wie SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi zu Recht anmerkte, unbehelligt in den Parlamenten Ostdeutschlands hocken. Und dort höchstens einen Demagogietauglichkeits-Nachweis erbringen, in dem sie derzeit versuchen, die Linke mit noch so einem Kampfinstrument zu diskreditieren, mit dem Schlagwort vom „Unrechtsstaat“, der die  DDR gewesen sei. Es bezweifelt doch kein vernünftiger Mensch, dass allein schon Mauer und Schießbefehl Beweis für ein sich nur durch Unrecht am Leben erhaltendes Regime waren; aber wer Stasi sagt, sollte auch BND und NSA sagen, und in wie viele „Unrechtsstaaten“ der Welt liefert unser Rechtsstaat Waffen?

„Wer hat Angst vor dem roten Mann“

Immerhin zitierte Maybrit Illner den Satz Friedrich Schorlemmers, dass das Spiel „Wer hat Angst vor dem roten Mann“ endlich aufhören müsse; aber das wollten einige ihrer Gäste nicht hören, der Grünen-Politiker Werner Schulz etwa, in der DDR  einst Bürgerrechtler. Er bemühte tatsächlich ein Abzeichen aus den zwanziger Jahren , das Bodo Ramelow trage, um möglichen künftigen Thüringer Landeschef als linken Gottseibeiuns  zu demaskieren. Dabei ist Ramelow Niedersachse, Gewerkschafter und praktizierender Christ.

Aber Schulz vermochte Bartsch dann doch aus der Reserve zu locken, und Illner bekam ihren Krawall, als sich beide über die politische Rechte in der Ukraine stritten.  Und als Wahlforscher Matthias Jung Zahlen vorlegte, denen zufolge die AfD-Wähler vor allem von  der Linken (15%) und  der CDU (13%) kamen, dürfte sich manch politisch Kurzsichtiger in seiner Meinung links gleich rechts bestätigt fühlen. Aber so einfach ist es eben nicht; das wusste selbst Markus Söder, der im übrigen den Witz des Abends beisteuerte: „Die Leute brauchen eine seriöse Regierung mit einem perfekten Ministerpräsidenten.“ Hoffentlich hat sich sein Chef Horst Seehofer nicht vor lauter Lachen verschluckt.