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TV-Kritik: Maybrit Illner TV-Kritik: Maybrit Illner: "Deutschland steht alleine da"

Von Daland Segler 18.12.2015, 11:37

„Die gespaltene Republik – wohin führt Merkel Deutschland?“ lautete das Motto der letzten Talkshow Maybrit Illners in diesem Jahr. Eine Frage, die nicht seriös zu beantworten war, aber zu Kaffeesatzleserei einlud. Doch dieser Versuchung widerstanden ihre Gäste, zumal die Moderatorin selbst das Thema weitgehend ignorierte. Sie hörte sich lieber an, was Menschen zu sagen hatten, die praktische Arbeit mit Flüchtlingen leisten.

Die aus Afghanistan stammende Hila Limar etwa, als Kind hierher gekommen, heute Architektin und im Verein „Visions for Children“ engagiert, berichtete, dass der Zugang zu den Ankommenden schwieriger werde, zum Teil wegen der Sicherheitsmaßnahmen. Und dann seien den Afghanen auch noch die Deutschkurse gestrichen worden. Sie wünscht sich mehr Unterstützung für die ehrenamtlichen Helfer, denn „bislang haben wir nicht viel vom Staat gehört“. Und bei anhaltender Frustration würden sich dann die Helfer auch zurückziehen.

Was geschieht nach der Erstversorgung?

Auch die Neuköllner Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey, Dauergast bei Illner, verlangte mehr Unterstützung für die Helfer vor Ort, bei denen der Eindruck entstehe, dass „die da oben es nicht mehr im Griff haben“. Man müsse die Aufnahme-Verfahren vereinfachen. Und die Forderung nach schneller Abschiebung erklärte sie für illusorisch: Noch nicht einmal zwei Prozent der Angekommenen seien bislang zurückgeschickt worden.

Es gehe deshalb vor allem darum, was nach der Erstversorgung geschehe, darauf sei man bislang nicht vorbereitet: „Wir betreuen, versorgen, pflegen, aber wir befähigen nicht.“ Eine Folge: die „Diffusionseffekte“. Ein Fünftel der in den Berliner Turnhallen Untergebrachten hätten sich alleine auf den Weg gemacht, etwa zu Verwandten und Bekannten aus der Community.

Dass diese Entwicklung einer erfolgreichen Integration im Weg steht, liegt auf der Hand. Die rasche Eingliederung aber hat sich die CDU aufs Tapet geschrieben, zur Not auch mit einem Integrationsgesetz, wie Unionsfraktionsvize Michael Fuchs erklärte. Nur so könne verhindert werden, dass in Deutschland Bedingungen entstünden, wie sie etwa in den berüchtigten Pariser Banlieues herrschten, die als Brutstätte des Terrors ausgemacht wurden.

Leere Wohnungen für Vertriebene

Doch musste sich Fuchs von Linken-Chefin Katja Kipping vorhalten lassen, dass die neue Verschärfung des Asylgesetzes die Menschen nun sechs Monate und damit länger als zuvor in die Flüchtlings-Unterkünfte zwinge. Sie verlangte, die anderthalb Millionen leerstehenden Wohnungen, zum Teil Spekulationsobjekte, für die aus ihrer Heimat Vertriebenen zur Verfügung zu stellen – nicht eben realistisch, aber publikumswirksam. Die Politik müsse eine Sozialgarantie geben und Geld in die Hand nehmen. Illner verschonte da Fuchs von der Frage nach Wolfgang Schäubles Fetisch von der „Schwarzen Null“.

Für die nach langer und gefährlicher Flucht hier Ankommenden muss ohnehin ein Schock sein, was sie hier erleben. Viele glaubten, von Schleppern darin bestärkt, sie bekämen hier Besitz, wie etwa ein Haus, weshalb auch besser gestellte Menschen ihr Hab und Gut verkauften, um hierher zu kommen, berichtete Hila Limar. Und dann seien sie regelrecht geschockt, wenn sie im Zeltlager landeten. Und die jungen Männer, von ihren Familien voller Hoffnung losgeschickt, trauten sich dann nicht, die Wahrheit nach Hause zu berichten, pflichtete Spiegel-Redakteur Jan Fleischhauer bei.

Einwanderung als Frage der Größenordnung

Er hatte selbstverständlich auch keine Antwort, als Illner eine dieser auf die Zukunft gerichteten Fragen stellte, die nur zu Spekulationen verleiten: Wie schaffe man Wohnungen? Aber der im Spiegel als konservative Stimme fungierende Kolumnist sah Einwanderung als eine Frage der Größenordnung: Kämen zu viele, sinke der Anreiz, die Sprache des neuen Landes zu lernen, und der Versuch der Bundesregierung, die Zahl der hierher Kommenden zu begrenzen, zeitige ja schon erste Erfolge, weil nun die Türkei die „schmutzige Arbeit“ mache, wo „nicht so viele Kameras“ wie etwa auf der Insel Lesbos ständen.

Fleischhauer widersprach auch der Hoffnung von Michael Fuchs, dass es eine Einigung mit dem Rest Europas geben werde, um die Einwanderer zu verteilen. Deutschland stehe doch alleine, nachdem auch Schweden die Grenzen dicht gemacht habe. Der Christdemokrat aber war sich ausnahmsweise mit der Linken Katja Kipping einig: Wenn andere Länder wie Ungarn oder Polen sich weigerten, werde man sie anderweitig „zur Kasse bitten“. Polen etwa erhalte 15,5 Milliarden von der EU. Auch wieder eine publikumswirksame, aber unrealistische Forderung, denn einem solchen Schritt müssten die anderen EU-Staaten zustimmen – auch Polen...