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Tonträger Tonträger: Die Langspielplatte wird 75 Jahre alt

Von Iris Auding 13.09.2006, 05:56
Langspielplatten verschiedener Musikgruppen verpackt Mitarbeiterin Marina Kahlert per Handarbeit in der optimal media production GmbH im mecklenburgischen Röbel (Foto: dpa)
Langspielplatten verschiedener Musikgruppen verpackt Mitarbeiterin Marina Kahlert per Handarbeit in der optimal media production GmbH im mecklenburgischen Röbel (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Hamburg/dpa. - Der amerikanischeRock- und Folksänger sehnt sich zurück nach der Schallplatte. Dieschwarze Scheibe blickt auf eine lange Geschichte zurück: Am 17.September 1931 wurde in New York die erste für die Öffentlichkeitbestimmte Langspielplatte mit 33 1/3 Umdrehungen pro Minutevorgestellt.

Vorher hatten Schellackplatten mit 78 Umdrehungen pro Minutelediglich ein Musikstück wiedergegeben. In den vergangenen 75 Jahrennahmen die länger spielenden Rundlinge aus Schellack und späterVinyl eine rasante Entwicklung - bis zur Einführung der Compact Disc(CD), welche die Toninformationen digital aufzeichnet. Mittlerweileerlebt die bisweilen bereits totgesagte Langspielplatte (LP) nachEinschätzung einiger Musikkritiker eine Renaissance.

Bei den Absatzzahlen kann die Schallplatte allerdings nicht mitder CD und Songs aus dem Internet konkurrieren: Nach Angaben derPhonoverbände wurden im vergangenen Jahr in Deutschland 123,7Millionen CDs sowie etwa 600 000 LPs verkauft; mit 35 Millionenheruntergeladenen Titeln etablierte sich der Musikverkauf perInternet weiter. Massiv zu schaffen machen den Labels nach wie vorprivate CD-Kopien und Online-Angebote ohne Bezahlung. Der Absatz vonCDs ist zudem seit mehreren Jahren rückläufig. «Geld verdient wird imphysischen Markt vor allem mit der CD, trotz sinkender Absatzzahlendes Tonträgers. Ein stärkerer Aufschwung der Musikindustrie durch dieLP ist mangels Masse eher unwahrscheinlich», sagt Johann-FriedrichBrockdorff, Leiter des Referats Wirtschaft der Phonoverbände. Auchbei der Klangqualität sieht Brockdorff die CD vor der LP.

Thomas Schmidt, Redakteur beim «LP - Magazin für analoges Hifi &Vinyl-Kultur», lässt sich davon nicht beirren. «Man kann schon voneiner Wiedergeburt der LP sprechen, auch wenn sich die Verkaufszahlenundramatisch anhören», sagt der Experte. «Der Handel mit gebrauchtenPlatten ist riesig, für hochpreisige Plattenspieler gibt es einenlukrativen Markt.» Auch der Musikexperte Wolfgang Doebeling ist sichsicher: «Die LP wird zwar nie wieder das beherrschende Medium sein,aber so lebendig wie heute war sie seit 15 Jahren nicht mehr. So gibtes in den USA vier bis fünf Millionen Menschen, die nur Vinylkaufen.» Schmidt ist der Ansicht, dass Schallplatten «exakter,atmosphärischer und authentischer» klingen. Auch Doebeling schwärmtdavon, dass im Gegensatz zu datenkomprimierten Formaten wie CD undMP3 «alle Zwischentöne zu hören sind».

Anfang der 30er Jahre sah es zunächst nicht nach einem Siegeszugder Langspielplatte aus. Die US-Firma Radio Corporation of America(RCA-Victor) hatte die erste LP mit 33 1/3 Umdrehungen pro Minute(U/min) aus Schellack vorgestellt, eine Markteinführung scheiterteunter anderem am hohen Preis des dazugehörigen Plattenspielers. DieWeltwirtschaftskrise und der Zweite Weltkrieg machten der Firma einenStrich durch die Rechnung. Am 21. Juni 1948 gelang demMedienunternehmen Columbia Broadcasting System (CBS) die Entwicklungeiner LP mit insgesamt 45 Minuten Spieldauer. Die Platte mit einemDurchmesser von 30 Zentimetern und einer Abspielgeschwindigkeit von33 1/3 U/min bestand aus Polyvinylchlorid und war wesentlicherbruchfester als die Schellackscheiben, die seit 1895 den Marktbeherrscht hatten.

Der Durchbruch der LP ließ allerdings noch auf sich warten: DasKonkurrenzunternehmen RCA-Victor wollte nicht mit in die LP-Produktion einsteigen, sondern brachte 1949 eine eigene neue Plattemit 45 U/min heraus, die wiederum einen anderen Plattenspielerbenötigte. Die 33 1/3er LP war besonders in der Klassik erfolgreich,die kleinere 45er Single wurde von den Jukebox-Herstellernfavorisiert. 1950 gab RCA-Victor schließlich den Kampf um dasführende Plattenformat auf und stellte fortan auch Langspielplattenher. Die 45er Singles blieben der für Popmusik bevorzugte Standard.«Mitte der 50er Jahre hatte die LP ihren Durchbruch, von da an wurdezielgerichtet für den LP-Markt Musik produziert», erzählt Doebeling.

Die Einführung der CD 1982 machte den schwarzen Scheiben zunehmenddas Leben schwer: In Deutschland verkauften sich 1991 erstmals mehrCompact Discs als Langspielplatten. «In den 90er Jahren waren es vorallem DJs, die das Thema Vinyl am Leben hielten, insofern bestandimmer eine Nachfrage nach Platten», erzählt Schmidt. Viele Fans undDJs schätzen nicht nur den vollen Klang der LP, sondern sehen auchdie Plattencover als Kunstform. Viele Musiker wie Bob Dylan, Oasisund Neil Young lassen ihre Werke auch im digitalen Zeitalter noch aufLP pressen. «Die Langspielplatte wird es immer geben, sie ist einunsterbliches Medium», sagt Schmidt.