Thüringen Thüringen: Kaum ein Kleidungsstück hat so einen schlechten Ruf
Erfurt/dpa. - Dabeihat dieses Kleidungsstück seit dem Mittelalter mehr als 600 Jahrelang Männer, Frauen wie Kinder im Alltag und am Feiertag begleitet.Das Museum für Thüringer Volkskunde in Erfurt widmet dem heute oftbelächelten Utensil eine liebevoll gestaltete Sonderausstellung. Siezeigt von Sonntag an rund 150 Exemplare für alle Gelegenheiten: Vonder Freimaurerschürze aus dem 18. Jahrhundert, die Bergmannsschürzebis zur Cocktailschürze und zum erotischen Beiwerk, zählte dieOrganisatorin der Schau, Iris Höfer, am Mittwoch auf.
«Um die Mitte des 14. Jahrhunderts begannen vor allem Bauern undHandwerker Schürzen zu tragen», erläuterte Höfer. «Damitsollte die Kleidung geschützt werden, denn die war teuer und diePflege aufwendig.» Aus der einfachen, in der Taille gebundenenHalbschürze entwickelte sich die Latzschürze aus Sackleinen undLeder. Bergleute trugen, wie in der Schau zu sehen, hinten verstärkteSchürzen, weil sie im Stollen oft auf dem Gesäß rutschten. Raschwurden Schürzen zum Mode-, Schmuck- und Renommier-Objekt.Handwerksmeister, aber auch adlige und bürgerlicheFrauen, konnten damit ihren Status und Reichtum zur Schau stellen.
Der Höhepunkt der «Schürzen-Verfeinerung» war am Hofe desfranzösischen Sonnenkönigs Ludwig VIX. in Versailles erreicht. «Damenaus dem Adel trugen über ihrem Negligé trägerlose, mit Volantsverzierte Schürzchen aus kostbaren Materialien wie Seide und Spitzen,die mit Nadeln am Mieder befestigt wurden», sagte Höfer. Zu denHöhepunkten der bis zum 26. August geöffneten Schau gehören modischeBatistschürzen für die Hausfrau um 1900.
In dieser Zeit wurde die Schürze auch zum rein weiblichen Symbol.«Das hängt mit dem damaligen Bild der Frau als Hausfrau zusammen»,sagte die Expertin. «Sie sollte immer einen netten und adrettenEindruck machen. Die Schürzen betonten zudem in ihrer Gestaltung dieweiblichen Genitalien.» Damals sei auch der Begriff desSchürzenjägers entstanden, der vorzugsweise Dienstmädchen wieFreiwild nachstellte.
Eine Besonderheit der Schau ist eine so genannte Bockschürze, wiesie noch heute Schafböcken umgebunden wird, wenn diese nicht dieSchafe decken sollen. Besucher müssen natürlich nicht auf den Anblickeiner Kollektion knallbunter Kittelschürzen aus Dederon verzichten,die in der DDR als Pendent zur Nylon-Schürze im Westen zumunverzichtbaren Utensil der Hausfrau avancierte.
Historische Fotografien, Bücher und Bilder aus der Werbung gebenneben erläuternden Texten Einblicke in die Kulturgeschichte des jenach Perspektive nützlichen oder überflüssigen Gegenstandes. DasMuseum konnte unter mehr als 300 Schürzen, darunter Trachtenschürzenaus dem 19. Jahrhundert, aus dem eigenen Fundus wählen. Hinzu kommenzahlreiche Leihgaben.