Theodor W. Adorno Theodor W. Adorno: Soziologe und Musiktheoretiker wird gewürdigt

Frankfurt/Main/dpa. - Am 11. September jährt sich nicht nur der Anschlag auf das World Trade Center. Am 11. September 1903 wurde auch der Philosoph, Soziologe und Musiktheoretiker Theodor W. Adorno (1903-1969) geboren. Zu seinem 100. Geburtstag werden etliche Neuerscheinungen über Leben und Werk des bedeutenden Denkers in den Buchhandlungen stehen. Die umfangreichste ist schon da: Stefan Müller-Doohms mehr als 1000 Seiten starke Biografie. Sie versucht erstmals, den ganzen Adorno darzustellen: den Menschen und seine Arbeit vor dem Hintergrund seiner Zeit, um eines aus dem anderen heraus zu erklären.
Zum wissenschaftlichen Nachschlagewerk macht das Buch ein rund 250 Seiten starker Anhang mit Anmerkungen, einer tabellarischen Chronik, einer Aufstellung aller Seminare und Vorlesungen, einem Verzeichnis aller Kompositionen und einer umfangreichen Bibliographie. Zur spannenden Lektüre wird das Buch durch das geschickte Ineinander von Zeitgeschichte, privaten Erlebnissen, schicksalhaften Begegnungen und theoretischen Arbeiten. Die komplexen Hauptwerke Adornos wie die «Negative Dialektik» werden in den knappen Zusammenfassungen nicht verständlicher, aber man kommt ihnen näher, weil sie im Zusammenhang mit der konkreten Lebenssituation Adornos stehen.
Müller-Doohm, Professor für Soziologie in Oldenburg, konnte bei seiner Arbeit auf Material zurückgreifen, das ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziertes Forscherteam seit 1998 zusammengetragen hatte. Müller-Doohms genaue Schilderung von Adornos Privatleben basiert auf Interviews mit Wegbegleitern wie Jürgen Habermas und Hans-Magnus Enzensberger. Dank dieser Authentizität gelingt Doohm eine lebendiges Darstellung vor allem der späten Jahre Adornos, die von zermürbenden Auseinandersetzungen mit protestierenden Studenten und Kräfte zehrender Arbeit an seinen letzten Schriften geprägt waren. Bei der Schilderung der frühen Jahre ist Müller-Doohm so ehrlich, seine Mutmaßungen in Fragen zu kleiden.
Müller-Doohms größtes Verdienst ist es, dass er Adornos vielgestaltiges Werk nicht unverbunden nebeneinander stehen lässt, sondern den inneren Zusammenhang aufzeigt zwischen dem Komponisten und Musikkritiker, dem empirischen Soziologen, dem Theoretiker der «Frankfurter Schule» und dem omnipräsenten Öffentlichkeitsarbeiter. Unklar bleibt Adornos politische Position: Der stark politisch wahrgenommene Denker erscheint hier widersprüchlich, gar unpolitisch. Dass man nach knapp 750 Seiten Fließtext Adorno näher ist, liegt nicht nur an den vielen Fakten, sondern auch an drolligen bis peinlichen Begebenheiten, die wirksam verhindern, dass «Teddie» Adorno allzu sehr glorifiziert wird.
Stefan Müller-Doohm: Adorno. Eine Biographie Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 1032 S., 29,90 Euro, ab nächsten Januar 36,90 Euro ISBN 3-518-58378-6