Theater Theater: Regisseur George Tabori stirbt mit 93 Jahren in Berlin

Berlin/ddp. - Und ich habe Glück gehabt»,sagte der Theatermacher George Tabori einmal in einem Interview. Anseinen Tod hat er dabei trotzdem ständig gedacht. «Vor ein paarJahren hat mein Alter mich so sehr gelangweilt, dass ich meinen Arztfragte, ob er mir nicht eine Spritze geben kann, damit Schluss ist»,sagte Tabori. Am Montagabend starb der Regisseur und Autor, der 2006den Deutschen Theaterpreis «Der Faust» für sein Lebenswerk bekommenhatte, mit 93 Jahren in seiner Berliner Wohnung, wie der VerlagGustav Kiepenheuer am Dienstag mitteilte.
Seit 1999 wohnte der gebürtige Ungar mit britischem Pass mitseiner dritten Ehefrau, der Schauspielerin Ursula Höpfner, in derHauptstadt - unweit des Berliner Ensembles (BE). Das BE amSchiffbauerdamm wurde zur letzten künstlerischen Heimat Taboris. AlsEröffnungspremiere des damals neuen Intendanten Claus Peymann hatteTabori dort 2000 sein Stück die «Brecht-Akte» zur Uraufführunggebracht.
Die beiden großen Theatermänner Peymann und Tabori kannten sichaus Wien. Schon als Intendant des Burgtheaters hatte Peymann Taborigespielt und auf die Frage, warum er so oft dessen Stücke wähle,einmal lapidar «weil ich ihn liebe» geantwortet.
Überhaupt schien der schmächtige Mann mit den strahlenden Augenund dem Schnauzer in den Menschen Sympathie zu wecken. Er sei «einMensch, an den sich jeder irgendwo andocken will», schriebDramatikerin Elfriede Jelinek mal, jemand, «zu dem man gehörenmöchte, sobald man ihn sieht».
Dabei empfand der Künstler sich selbst zeitlebens als «einFremdling überall». In dem Film-Porträt «George Tabori - derSchriftsteller als Fremder» (2001) erzählt Tabori sehr Persönliches,von seiner Familie, die zum großen Teil in Auschwitz umkam, vonseiner ersten Liebe Eva und seinem ersten schriftstellerischenVersuch: Mit 16 schrieb er eine Geschichte über seineSchreibmaschine. Die wollte, dass er bedeutende politische Artikelverfasste, er aber schrieb Liebesgeschichten.
Später schrieb Tabori auch Drehbücher zu Hollywoodfilmen etwa fürAlfred Hitchcocks »I Confess«, aber Film interessierte ihn nichtbesonders. Seine Liebe gehörte dem Theater. Shakespeare hielt er fürden Größten. »Er hat 35 oder 36 Stücke geschrieben. Ich möchte allemachen«, schwärmte er in der Zeitschrift »Musik&Theater«.
Geboren wurde Tabori am 25. Mai 1914 in Budapest. 1932/33 lebte erin Berlin und Dresden, kehrte dann aber nach Ungarn zurück undarbeitete als Journalist und Übersetzer. 1936 emigrierte er nachLondon und ging mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges alsAuslandskorrespondent nach Bulgarien und in die Türkei. 1943 kehrteer nach London zurück, arbeitete bei der BBC und veröffentlichteseinen ersten Roman »Beneath the Stone«.
1947 siedelte er in die USA über, wo er in Hollywood und New Yorkals Drehbuch- und Bühnenautor lebte. Dort traf er auch BertoltBrecht, dem er seine Liebe zum Theater wesentlich verdankte. 1952 kamam Broadway Taboris erstes Theaterstück »Flight into Egypt« heraus -das jedoch floppte. 1956 inszenierte Tabori erstmals selbst undzeigte August Strindbergs »Fräulein Julie«.
1968 ging Tabori nach Deutschland und inszenierte am BerlinerSchiller Theater sein Auschwitz-Stück »Die Kannibalen«. Danacharbeitete er vorwiegend im deutschsprachigen Raum, inszenierte an denMünchner Kammerspielen, der Berliner Schaubühne, in Bochum und Wien.Mit kleinen Schauspielgruppen versuchte er, die Idee von einem»menschlicheren Theater« zu verwirklichen. Bekannt wurde vor allemsein »Bremer Theaterlabor«. Von 1987 bis 1990 leitete er das WienerTheater »Der Kreis«. In Wien feierte er 1987 auch einen großen Erfolgmit der Uraufführung seiner Hitler-Farce »Mein Kampf«.
Einen richtigen Theaterskandal leistete er sich nur ein einzigesMal. Im Juli 1987 wurde seine Inszenierung von Franz SchmidtsOratorium »Das Buch mit den sieben Siegeln« in Salzburg wegen»obszöner Szenen« abgesetzt. »Das war der einzige Skandal in meinemLeben,« betonte er danach. »Ich bin nicht für den Skandal.«