1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Theater Magdeburg: Theater Magdeburg: «Das wirklich Neue sind die Menschen»

Theater Magdeburg Theater Magdeburg: «Das wirklich Neue sind die Menschen»

Von ANDREAS HILLGER 29.09.2009, 17:44

MAGDEBURG/MZ. - Regisseurin Johanna Schall kommt von einer Probe zu Hitchocks "39 Stufen", junge Schauspieler folgen ihr im Schlepptau: "Das wirklich Neue", sagt Jochymski, "sind die Menschen." Es klingt wie eine Variation der Spielzeitmottos, mit dem die Generalintendantin Karen Stone das erste Jahr nach dem Abschied ihres Vorgängers Tobias Wellemeyer überschrieben hat: "Wir sind Thema".

Tatsächlich wirkt im Konzept des neuen Schauspieldirektors vieles programmatisch, aber nichts verkopft oder erzwungen. Jan Jochymski, der von 1990 bis 1994 in Leipzig zunächst Schauspiel studierte und nach Engagements in Chemnitz, Rudolstadt und Jena als freischaffender Regisseur arbeitete, hat sein Grußwort mit Bernhard von Brentanos Satz "Sagen lassen sich die Leute nichts, aber erzählen lassen sie sich alles." überschrieben. Seine erste eigene Premiere wird er am Freitag mit Lucas Moodysons "Zusammen!" bestreiten, danach folgen bis zum Ende des Monats Oktober weitere fünf Stücke - von "Michael Kohlhaas" bis "Miß Sara Sampson" und von "Frühlings Erwachen" bis "Schuld und Sühne". Das Ensemble, sagt Jochymski, müsse schnell Substanz aufbauen - auch deshalb, weil Wellemeyer mit den Protagonisten einige Inszenierungen nach Potsdam mitgenommen hat.

Das enorme Pensum wird aber nicht als Zumutung, sondern als Chance empfunden - als Aufbruch zu einer kreativen Gemeinschaft, die unter äußerem Druck zusammenfindet. Dass er dabei einen kleinen Heimvorteil genießt, weiß der Regisseur, der am Deutschen Theater und an der Volksbühne Berlin ebenso gearbeitet hat wie am Staatstheater Stuttgart und am Schauspiel Leipzig. Immerhin hat er in Magdeburg bereits Büchners "Woyzeck" und Hauptmanns "Vor Sonnenaufgang", Lars von Triers "Breaking the Waves" und die Stückentwicklung "ich: planet" inszeniert. Und mit vielen der Künstler, die sich nun in den einstigen Kammerspielen versammeln, hat er bereits in anderen Zusammenhängen gearbeitet. Das liegt auch daran, dass Jochymski zu jener Generation von Theatermachern gehört, die mühelos zwischen dem deutschen Stadttheater und den Off-Bühnen switchen.

Gemeinsam mit Stefan Ebeling gründete der 1969 in Leipzig geborene Jochymski bereits zu Studienzeiten das freie Ensemble "TheaterschaffT", das mit Produktionen wie "Wahnsee" oder "Troja" auch in Halle Station machte. Aus diesem Kontext hat der neue Hausherr nun Mitstreiter wie Andreas Gugliemetti engagiert, andere Schauspieler wie Jonas Hien oder Frank Benz waren zuvor auf der Kulturinsel Halle engagiert. Zusammen mit vor Ort erprobten Darstellern und weiteren Neuzugängen ergibt das ein schlagkräftiges Team, aus dessen Mitte sich neben dem klassischen Spielplan auch Sonder-Projekte wie eine eigene Schauspiel-Band bestreiten lassen.

Dass Jan Jochymski auch sonst auf die erprobte Mischung zwischen FrühStück und Nachtschicht setzt, die das Theater Magdeburg in den vergangenen Jahren zum Treffpunkt für ein junges, kulturinteressiertes Publikum werden ließ, will er allerdings nicht als Anbiederung an die lokale Tradition verstanden wissen. "Wir können uns ja nicht als ewige Jugendliche verkaufen", sagt er - und fügt hinzu, dass ihm das literarische Erbe der Stadt und der Region mindestens ebenso wichtig ist, auch wenn man dies erst in den kommenden Jahren spüren wird.

Die erste Saison bringt dafür - neben Klassikern wie "Hamlet" in Jochymskis und "Don Quichote" in Claudia Bauers Regie - ein Spektakel unter dem Motto "OstOstOst", das im April des kommenden Jahres die Wendezeit in den Blick nimmt. Gemeinsam mit den Theatern in Altenburg-Gera und Chemnitz hat das Schauspiel Magdeburg dafür einen Ringtausch von Inszenierungen vereinbart, die Sachsen-Anhalter steuern eine Auftragsproduktion der polnischen Autorin Malgorzata Sikorska-Miszczuk bei. Thema: Wie blickt man aus dem Osten Europas auf den Osten Deutschlands? Eine der vielen spannenden Fragen, die Jan Jochymski in Magdeburg stellen will.