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Theater Theater: «Jungfrau von Orleans» versetzt ein Dorf ins Festspielfieber

Von Klaus Schlösser 10.06.2005, 07:02
Die Darstellerin der Jungfrau von Orleans, Carolin Müller, spielt am Mittwoch (08.06.2005) auf der Freilichtbühne Altusried bei der Generalprobe des Stückes «Die Jungfrau von Orleans». (Foto: dpa)
Die Darstellerin der Jungfrau von Orleans, Carolin Müller, spielt am Mittwoch (08.06.2005) auf der Freilichtbühne Altusried bei der Generalprobe des Stückes «Die Jungfrau von Orleans». (Foto: dpa) dpa

Altusried/dpa. - In der 125-jährigen Geschichte derFreilichtspiele in Altusried steht erstmals eine Frau im Mittelpunkt.Im Schiller-Jahr feiert die «Jungfrau von Orleans» am SamstagPremiere auf der Naturbühne, die alle drei Jahre zum Schauplatz eines historischen Freiheitskampfes wird. Das Oberallgäuer Theaterdorf, dasschon Wilhelm Tell, Andreas Hofer, Götz von Berlichingen und denAllgäuer Bauernkrieg aufleben ließ, erwartet zu den 32 Aufführungenbis Ende August rund 80 000 Besucher.

Seit Monaten schon dreht sich das Dorfleben in der10 000-Einwohner-Gemeinde fast nur noch um die «Jungfrau vonOrleans». Kostüme werden genäht, Requisiten gebaut, Szenen geprobt.Allein 500 Altusrieder werden jedes Wochenende auf der Bühne stehen.150 einheimische Sänger und Sängerinnen zählt der Festspielchor, derseit Wochen eigens komponierte Lieder einstudiert. Auch die Musik istlive, kein Ton kommt aus der Konserve. Nach Feierabend proben über250 Soldaten und Ritter zu Pferd und zu Fuß das Schlachtgetümmel. DieReitpferde von den umliegenden Bauernhöfen haben daher in diesemSommer genügend Bewegung. Hinter den Kulissen werkeln nochmalsmehrere hundert Dorfbewohner für «ihre» Freilichtspiele.

«Freiheitshelden liegen uns. Da rührt sich wenigstens was»,erklärt einer der mit Holzschwertern und Lanzen bewaffnetenKomparsen, die in einem Zelt neben der Bühne auf das Zeichen desRegisseurs für die nächsten Szenenprobe warten. «Und bei denKampfszenen kann man auch mal eine alte Rechnung mit Leuten aus demDorf begleichen.» Spätestens bei der Premiere seien alleStreitigkeiten ausgeräumt. Das fördere die Harmonie in der Gemeinde.

Das 4500 Quadratmeter große Spielgelände mit Türmen, Toren,Kirchen, Häusern und Brücken am Rande des Dorfes wird von einembewaldeten Hang und einem aufgestauten Bach flankiert. Die nach BadSegeberg größte Naturbühne Deutschlands eignet sich als Schauplatzfür packende Schlacht- und Volksszenen. Die 1999 gebaute Tribüne,deren Konstruktion als architektonische Rarität in Europa gilt,bietet 2500 Zuschauern einen überdachten Sitzplatz.

Das Theaterdorf Altusried erweist sich aber nicht nur für dieBesucher der Freilichtspiele als Magnet. Auch Kunstschaffende siedelnsich an und integrieren sich in der spielfreudigen Gemeinde. DietrichStern zum Beispiel, der auch schon für Theater in Berlin, Wiesbadenund Frankfurt gearbeitet hat, komponierte die Musik für die «Jungfrauvon Orleans». Ulrich Schwab, Generalintendant des MannheimerNationaltheaters, hat seinen Wohnsitz ins Allgäu verlegt und dieInszenierung der Altusrieder Freilichtspiele übernommen.

Die Kooperation mit dem Theater gefällt vor allem den Frauen imDorf. Weil viele Kostüme aus dem Mannheimer Fundus entliehen werden,mussten sie weniger nähen als bei früheren Aufführungen. Zudem werdenaus Mannheim auch Zuschauer erwartet. Im Rahmen der 13.Internationalen Schillertage hat das Nationaltheater eine Busfahrtzur Premiere nach Altusried organisiert.