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Theater der Welt Theater der Welt: Kraft der Fantasie überwältigt alles

Von Andreas Montag 22.06.2008, 15:35

Halle/MZ. - Doch jeden Zweifel wischt schon das erste der elf Bilder weg, mit denen am Wochenende die Mailänder Compagnia von Carlo Colla zum Festival "Theater der Wekt" im Goethe-Theater Bad Lauchstädt gastierte. "Excelsior" schafft den Sprung vom ausgehenden 19. Jahrhundert in die Gegenwart mit mühelos anmutender Eleganz. Dabei zeigt sich rasch, dass das ursprüngliche Thema der rasanten technischen Entwicklung, die die Menschheit beglücken und in Frieden vereinen soll, im Wissen um die Geschichtsereignisse des 20. Jahrhunderts eine neue, auch ironische Dimension gewinnt.

Der Ausgang des Spektakels war ein Ballett, das 1881 an der Mailänder Scala uraufgeführt wurde, riesigen Erfolg hatte, deshalb rasch von Marionettenbühnen aufgegriffen und weit verbreitet wurde. Das Stück feierte den Fortschrittsglauben mit einer derartigen, heute naturgemäß naiv anmutenden Bedingungslosigkeit, dass man angesichts des farbenfrohen Getümmels feuchte Augen bekommen kann: Staunen, Rührung, Gelächter - alles kommt als Ursache in Betracht. Da wird unter Aufbietung eines überwältigenden, farbenfrohen Inventars gespielt, was das Zeug hält, um den Sieg des Lichts über die Finsternis, der Zukunft über das Rückständige zu zeigen.

Höfische Szenen werden mit dem munter sich tummelnden Bürgertum konfrontiert, Arbeiter treffen Beduinen, Pygmäen tanzen skurrile Ballette, es gibt Pferde und Kamele zu sehen, Autos und Flugapparate, das elektrische Licht tritt flackernd in die Welt und ein erstes Dampfschiff verweist auf seine Vorzüge - selbst wenn der Eigner erst einmal verprügelt wird...

Begleitet von Musikern der Staatskapelle Halle unter Leitung von Hans Rotman entfaltet sich ein historischer Bilderbogen, der einerseits eine Hymne auf die Kunst des Marionettenspiels selber ist, andererseits der kurzweiligste Abriss jüngerer Kulturgeschichte, den man sich denken kann. Dabei kommt die Truppe der Collas mit wenigen zusätzlichen Zeichen der Ironie aus: Etwa, wenn edle Herren bei Hofe nicht mit Schwertern, sondern mit Baseballschlägern zum Duell antreten oder die Ruderbötchen beharrlich entgegen der Fahrtrichtung unterwegs sind.

Das Spiel ist ein Traum vor wundervollen Prospekten, die in der Lauchstädter Bühne förmlich aufgehen. So, als sei sie eigens für die Collas gebaut worden. Nach jedem Bild Applaus, am Ende heller Jubel. Kommt bald wieder, hieß das auch.