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Theater Theater: Botho Strauß' quälende «Schändung»

29.01.2006, 14:15

Berlin/dpa. - Blutüberströmt und verstümmelt bleibt Lavinialiegen, wimmernd und röchelnd, das weiße Kleidchen in Fetzen. Als ihrdie Peiniger schließlich noch die abgeschnittene Zunge nachwerfen,bekommt die Szene fast etwas Surreales. Trocken lacht ein Zuschauerim entsetzten Premierenpublikum auf.

Autor Botho Strauß, der die «Schändung» nach dem Vorbild vonShakespeares «Titus Andronicus» schrieb, und Regisseur ThomasLanghoff muten den Zuschauern einiges zu. Verhalten blieb denn auchder Applaus bei der deutschsprachigen Erstaufführung am Samstagabendim Berliner Ensemble. Das Bühnendrama um Machtkämpfe undMachtzerfall, um Sexualität und bestialische Gewalt ist schwere Kost.Als «Gratwanderung» bezeichnete Langhoff selbst das Stück in einemInterview mit dem Theatermagazin «Spielplan» - «zwischen Form undAuflösung, Grausamkeit und Heiterkeit, Monstrosität und Witz».

Seine Uraufführung erlebte das Werk im vergangenen Oktober inParis. Die bereits für Juni 2005 geplante Premiere im BerlinerEnsemble verzögerte sich, nachdem der zunächst als Hauptdarstellervorgesehene Bruno Ganz («Der Untergang») und Theaterintendant undRegisseur Claus Peymann die gemeinsamen Proben abgebrochen hatten.

Jubel und einzelne Bravorufe ernteten am Schluss der BerlinerPremiere die Protagonisten: Jürgen Holtz, der Anfang der 90er Jahreeinem breiten Fernsehpublikum als Ossi-Hasser «Motzki» bekannt wurde,gab einen starrköpfigen, selbstverliebten General Titus Andronicus.Christina Drechsler überzeugte als dessen junge Tochter Lavinia miteiner Bandbreite von mädchenhafter Unschuld über geiferndeVerzweiflungsschreie. Sylvie Rohrer schließlich präsentierte eineeiskalte Gotenkönigin Tamora.

Siegreich kehrt General Titus von seinem Feldzug gegen die Gotennach Rom zurück - doch um welchen Preis war sein Sieg: 25 Söhne hater verloren. Die ihm angetragene Kaiserwürde lehnt er zu Gunsten deslegitimen Thronfolgers Saturnin (Veit Schubert als stammelnderSchwächling) ab. Dieser bricht die aus Erkenntlichkeit geschlosseneVerlobung mit Titus' Tochter Lavinia und nimmt statt dessen diegefangene Gotenkönigin Tamora zur Frau. Sie wiederum betrügt ihrenGatten mit dem Mohren Aaron (Markus John als trockener Zyniker).

Nach dem römischen Sieg über die Barbaren bricht nun auch imangeblichen Hort der Zivilisation die Barbarei aus. Unterstrichenwird die bedrückende Handlung durch das eng geschlossene Bühnenbild(Andrea Schmidt-Futterer), ein Rund aus übermannshohen, betongrauenBrettern, in dem die Akteure wie in einem Verlies gefangen sind.Musikalisch lässt Uwe Hilprecht die Szenen mit düsteren Klängen vonKlarinette, Trommel und Gong untermalen.