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"The Voice of Germany" "The Voice of Germany": Nena gibt die esoterische Waldfee

Von Martin Weber 17.10.2013, 21:17
Die neuen Coaches von „The Voice of Germany“, die Sänger Sascha Hoss Vollmer (l-r), Samu Haber, Nena, Max Herre und Alec Boss Völkel.
Die neuen Coaches von „The Voice of Germany“, die Sänger Sascha Hoss Vollmer (l-r), Samu Haber, Nena, Max Herre und Alec Boss Völkel. dpa Lizenz

Köln - Diskrepanz des Abends

„Wir brauchen Superstars“, fordert Samu Haber, neu in der Jury und im Hauptjob Sänger und Gitarrist von Sunrise Avenue. Klitzekleines Problemchen dabei: In Casting-Shows wurde bisher noch keiner gefunden. Und darin wird auch die dritte Staffel von „The Voice of Germany“ nichts ändern. Im Vergleich zu den Siegern von Casting-Shows bleiben die meisten 5-Minuten-Terrinen länger heiß.

Quatschsatz des Abends

„Ich möchte dich zu 199 Luftballon-Prozenten“. Samu Haber lobhudelt in Chris-Howland-Deutsch den Kandidaten Nico Gomez, der „Blurred Lines“ von Robin Thicke und Pharrell Williams, neben „Get Lucky“ von Daft Punk einer der Formatradiohits des Jahres, in einer Sparkassen-Betriebsfest-Version vorträgt. Weitere Einschätzungen respektive maßlose Übertreibungen: „Wow!“ (Nena macht auf Markus Lanz); „Du hast so eine Präsenz“ (The BossHoss haben so was von keine Ahnung); „Wir gehen den Sunset Boulevard hoch und machen dir einen Stern zwischen Stevie Wonder und James Brown“ (Max Herre verspricht, was er nicht halten kann).     

Feinripp-Ritter des schlechten Geschmacks

The BossHoss. Gegen Boss Burns alias Alec Völkel und Hoss Power alias Sascha Vollmer sind Truck Stop, man muss das so hart sagen, eine Offenbarung. Klamottentechnisch und musikalisch. Und überhaupt. Die Gemeinsamkeit, die Truck Stop und The BossHoss allerdings aufweisen: Sie verkaufen die sehr schöne und oft melancholische Spielart Country als Klamauk. 

Grundirrtum rund um „The Voice of Germany“  

Dass es, im Gegensatz zu anderen Casting-Shows, bei dem ProSieben/Sat.1-Format, freundlicher zugeht, stimmt. Dass es bei „The Voice of Germany“ aber in erster Linie um Musik und die Kandidaten geht, ist trotz „Blind Audition“ Quatsch mit Soße. Es geht um das Herstellen von Vermarktungsketten, es geht um 15 Minuten Ruhm und die schnelle Verkaufe (auch für den Gewinner/die Gewinnerin von Staffel Nummer drei ist klipp und klar: Der Tag des Sieges ist der erste Tag vom Rest der Instant-Karriere), es geht ums Geldverdienen durch Telefonvoting, und es geht nicht zuletzt darum, dass sich mehr oder weniger etablierte Musiker als Coaches der Kandidaten oft quälend lang zieren, bis sie endlich den Buzzer drücken. Und wenn sie gerade nicht den Buzzer drücken, machen sie Reklame. Für das Format Casting-Show an sich, und natürlich auch für sich selbst.     

Realitäts-Faktor des Abends

Tümay Zoroglu beweist bei „Don’t You Worry Child“, im Original von Swedish House Mafia, Mut zur Lücke und trifft nur jeden dritten bis vierten Ton. Das Tollste dabei: Die Jury vermittelt ihm sein Scheitern so freundlich wie bestimmt.

Lichtblick des Abends

Ein Mann namens Ashonte „Dolo“ Lee. Konnte „Tears Always Win“ von Alicia Keys nicht nur nachsingen, sondern interpretierte den Song. Und hatte dabei sogar Soul in der Stimme. Nicht zu gut für diese Welt, aber zu gut für eine Casting-Show. 

Der Moment der Show

War der von und mit Andreas Kümmert. Ordnete sich optisch selbst hart aber fair ein: „Ich bin nicht der Typ, wegen dem die Mädchen anrufen“. Die Eckdaten: Kümmert, 27, Glatzen- und Bauchansatz, Nasenring und Zauselbart, Brillenträger. Rein visuell das komplette Gegenteil eines Casting-Show-Kandidaten. Sang Elton Johns „Rocket Man“ mit der Woodstock-Anmutung von Joe Cocker. Wenn der Mann bei „The Voice of Germany“ im Rennen bleibt, wäre das so überraschend wie erfreulich.

Esoterik-Waldfee des Abends

Du musst den Kontakt zu deiner Stimme finden“. Nenas Ratschlag an Tümay Zoroglu. Nena, daran besteht kein Zweifel, hat seit vielen Jahren – ach was: Jahrzehnten – viel zu viel Kontakt zu sich selbst. Und leider viel zu wenig zu den jeweiligen Menschen um sie herum und zum Rest der Welt. Unser Vorschlag zur Güte und gleichzeitig auch eine Bitte an die Bühnenbauer von ProSieben/Sat.1: Man möge Nena für die nächsten Shows Bäume von unterschiedlichem Stammumfang ins Studio stellen. Die kann sie dann, idealerweise stumm wie ein Goldfisch im Zimmerspringbrunnen, der Reihe nach umarmen. Naturstoned kann ja ganz schön sein. Aber so wie Nena? Auf gar keinen Fall.     

Vermisstenmeldung des Abends

Geht raus an Ivy Quainoo und Nick Howard, die Gewinnerin der ersten Staffel und den Gewinner von Staffel Nummer zwei. Wer wissen möchte, was die beiden machen, muss sich noch ein bisschen gedulden; bis sie auf der „Was macht eigentlich…“-Seite im „Stern“ landen, dauert es womöglich noch ein bis zwei Jahre.