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Frankreich Streit um London-Reise: Bayeux-Teppich in Gefahr?

Über 950 Jahre alt, 70 Meter lang und extrem fragil – der Teppich von Bayeux soll nach London. Trotz Expertenwarnungen beharrt Frankreichs Präsident auf die riskante Leihgabe.

Von dpa 28.08.2025, 14:49
Seit 1982 warnen Restauratorinnen, dass unsachgemäße Handhabung die Originalmaterialien irreparabel beschädigen könne. (Archivbild)
Seit 1982 warnen Restauratorinnen, dass unsachgemäße Handhabung die Originalmaterialien irreparabel beschädigen könne. (Archivbild) Loic Venance/AFP/dpa

Bayeux - 24.000 Flecken, fast 10.000 fehlende Stellen, dutzende Risse: Der legendäre Teppich von Bayeux ist ein Meisterwerk des Mittelalters – und extrem zerbrechlich. Dennoch soll das über 950 Jahre alte Kunstwerk Frankreich verlassen und im British Museum in London ausgestellt werden. Zwischen Experten und dem Präsidentschaftspalast ist nun ein regelrechtes Tauziehen entbrannt - schließlich gehört das Meisterwerk dem französischen Staat.

Langersehnter Wunsch der Briten 

Kaum ein mittelalterliches Kunstwerk ist so bedeutend wie der Teppich von Bayeux. Auf fast 70 Metern Länge und 50 Zentimetern Breite erzählt er in 58 Szenen, mit mehr als 600 Figuren und 500 Tierabbildungen, die Geschichte der normannischen Eroberung Englands im Jahr 1066. Seit 1983 wird das Unesco-geschützte Meisterwerk in der Normandie in Bayeux im Wandteppich-Museum aufbewahrt – und gilt als eines der wichtigsten Bildzeugnisse des Hochmittelalters.

Von September 2026 bis Juni 2027 soll der Teppich im British Museum in London gezeigt werden – während das Wandteppich-Museum für Renovierungs- und Erweiterungsarbeiten geschlossen ist. Die Leihgabe, offiziell im Juli von Frankreich und Großbritannien verkündet, erfüllt einen langersehnten Wunsch: Schon 1953 und 1966 hatten die Briten um eine Ausleihe gebeten. Premierminister Keir Starmer lobte die Initiative als „brillant“.

Jede Bewegung eine Gefahr

Doch in Frankreich regt sich Widerstand: Thalia Bajon Bouzid, Restauratorin der Tapisserie von Bayeux, zeigte sich im Radio „France Culture“ überrascht über die Entscheidung des Präsidenten: „Die Studien haben klar gezeigt, dass Transport und Ausstellung äußerst riskant sind. Jede Bewegung ist eine Gefahr für das Kunstwerk.“ Mehr als 60.000 Menschen haben inzwischen eine Petition unterzeichnet, die den Transport als „kulturelles Risiko“ bezeichnet. 

Schon 1982 warnten Restauratorinnen, dass unsachgemäße Handhabung die Originalmaterialien irreparabel beschädigen könne. 2020 bestätigte ein Befund den alarmierenden Zustand: 24.000 Flecken, 16.445 Falten, fast 10.000 fehlende Stellen und rund 30 Risse. Studien von 2021 und 2022 kommen zu demselben Ergebnis: Je öfter der Teppich bewegt wird, desto höher das Risiko irreversibler Schäden.

Regierung will Risiken minimieren

Die französische Regierung bleibt dennoch entschlossen. Philippe Bélaval, ehemaliger Kulturberater im Élysée und zuständig für die Verleihung, betonte in „Le Monde“, dass laufende Studien zu vibrationsgedämpften Transporten den Teppich schützen sollen: „Er ist nicht absolut untransportierbar, wir arbeiten an Lösungen, um Risiken zu minimieren.“