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Thalia-Theater Halle Thalia-Theater Halle: Im Hotel Europa schmeckt Demokratie wie Hasenfutter

19.05.2005, 17:46

Halle/MZ/ahi. - Bereits zum dritten Mal hat sich das rührige Thalia-Team auf die Suche nach den "Nouveaux Auteurs" der französischen Theater-Szene begeben, mit dem 1971 in Mulhouse geborenen Spycher wurde dabei einem Gast des vergangenen Jahres ein würdiger Spielraum eröffnet. Ob es freilich klug war, den Autor auch als Regisseur zu verpflichten und damit die denkbare Reibung am Text zu minimieren, darf getrost bezweifelt werden. Denn das Beziehungsgeflecht zwischen dem russischen Mafia-Paten, dem deutschen Auto-Händler, der drogensüchtigen Engländerin und dem französischen Kleinganoven wird wie eine Kostbarkeit poliert.

Dabei ist das Spiel mit dem Schein und dem Sein, mit der Gier der Hungrigen und dem Überdruss der Satten gerade in seiner kalkulierten Undurchschaubarkeit nur allzu vorhersehbar. Mit großer darstellerischer Noblesse setzen Enrico Petters und Berndt Stichler das Duell zwischen dem moralinsauren Biedermann und dem verführerischen Verbrecher in Szene, dessen Ausgang man nach wenigen Sätzen ahnt. Obsessiv treiben Anke Stedingk und Sascha Tschorn auf die gemeinsame Katastrophe zu, die bei ihrem Eintritt längst nicht mehr erschüttern kann. Und dass der Bar-Pianist am Ende die als Klofrau getarnte Souffleuse umgarnt, hat man irgendwie auch geahnt.

Es ist, als würde man einem kleinen französischen Filmchen zusehen, das man irgendwann im Halbschlaf schon einmal gesehen hat. Zwischen Swimmingpool und Vestibül (Bühnenbild: Christian Beck) hört man geschliffene Dialoge, in denen Demokratie mit Nouvelle Cuisine und Nouvelle Cuisine mit Hasenfutter verglichen wird. Die Trink-Frequenz steigert sich stetig, irgendwann fällt auch ein Schuss - und schließlich erhebt sich der Bösewicht natürlich aus dem Rollstuhl, während ein stummes Mädchen zu sprechen beginnt. Am Ende fühlt sich daher auch der Zuschauer wie ein Springer in der Schwebe - gefangen in einem europäischen Déjà-vu, das die immer gleichen Bilder vorbei treibt.

Nächste Vorstellungen: Heute und am 27. Mai, je 20 Uhr