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Terror von Paris bei "Günther Jauch" Terror von Paris bei "Günther Jauch": Ursula von der Leyen umgeht das Wort "Krieg"

Von Thomas Kröter 16.11.2015, 07:47
Verteidigungsministerin von der Leyen
Verteidigungsministerin von der Leyen dpa Lizenz

Berlin - Nach dem Anschlag auf das World Trade Center 2001 versicherte der damalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder den USA „uneingeschränkte Solidarität“. Die Bundesregierung saß in der Falle. Es folgte der Einsatz in Afghanistan, der den Terrorismus anseiner Wurzel bekämpfen sollte. Es-Spiegel-Chef Georg Mascolo zog eine ernüchternde Bilanz: Heute sei alles noch schlimmer als damals.

Das Zentrum der organisierten Bombenleger und Selbstmordattentäter ist in den Irak und nach Syrien gewandert. An Unterstützern hat er durch die Propaganda seiner Taten sogar noch hinzugewonnen. Ein Schluss, dem niemand in der Runde widersprechen mochte, auch wenn man sich einig war: Die freiheitlich verfassten Gesellschaften dürfen sich von dieser Herausforderung nicht deformieren lassen.

Junges Kölner Paar überlebte das Attentat

Ein Glücksgriff der Redaktion zum Auftakt: Julia und Thomas Schmitz, ein junges Ehepar, das den Anschlag in der Pariser Veranstaltunngshale erlebt und überlebt hat. Sie gaben den Ton vor. Sie wollen weiterleben „und unseren Spaß haben.“ Riesenbeifall im Studio.

Etwas historische Tiefe in die Betrachtung versuchte Ulrich Wickert zu bringen. Der frühere Tagesthemen-Moderator und langjährige Korrespondent in Paris ist ein profunder Frankreichkenner. Er wies darauf hin, dass gerade dieses Land nicht zufällig zum Ziel wurde. Seit dem ersten Weltkrieg ist es tief verwickelt in die Politik des Nahen Ostens, war an der – wie wir heute wissen – verhängnisvollen Ziehung willkürlicher Grenzen auf der Landkarte beteiligt. In Mali ist es Akteur. In der ehemaligen Kolonialmacht leben viele arabsichstämmige Menschen ohne Perspektive. Hier ist offenbar ein Nährboden des modernen Terrors.

Mascolo: Wie importieren keinen Terror, wir exportieren ihn

Einig war sich die Runde vom SPD-Europapolitiker Martin Schulz bis zu Verteidiungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auch in der Ablehnung des Versuchs, aus der Anschlagsserie Kapital für die deutsche Flüchtlingsdebatte zu gewinnen. Das „Grenzen dicht“ wegen Paris des CSU-Politikers fand keinerlei zustimmung. Am pointiertesten war die Position von Georg Mascolo: Wie importieren keinen Terror, wir exportieren ihn. Die Attentäter stammten vornehmlich aus Frankreich, seien zur Schulung in den Nahen Osten gereist. Noch ist die Aufklärung am Anfang. Aber in der Runde wurde darauf verwiesen, dass die Täter offenbar versuchten, den Eindruck zu erwecken, unter ihnen seien Syrienflüchtlinge. Nein, sagte Martin Schulz unter großer Zustimmung, das seien doch Menschen, die genau vor den Verbündeten der Attentäter geflohen seien.

Der junge arabischstämmige Jaafar Abdul Karim, Journalist unter anderem bei der Deutschen Welle, gab einen differenzierten Überblick über die arabische Szene – im Internet, aber auch im wirklichen Leben. Verunsicherung hat er festgestellt. Viele wüssten nicht, wie sie sich verhalten sollten, weil der Westen als Feind erlebt werde. So gebe es auch eine hohe Grundsympathie für alle, die sich dem entgegenstellten. Auch Terroristen.

Von der Leyen betont Solidarität mit Frankreich

Den ineressantesten Part in der Runde hatte Ursula von der Leyen. Der Moderator konfrontierte sie immer wieder hartnäckig mit Fragen nach der konkreten Reaktion der deutschen Politik. Die Verteidigungsmisterin ließ keinen Zweifel an der Solidarität mit dem französischen Nachbarn. Aber sie verwies darauf, dass Deutschland am Kampf gegen den IS längst beteiligt sei, etwa durch die Unterstützung der kurdischen Kämpfer. Vor allem aber war sie darum bemüht, ein Wort zu vermeiden: „Krieg“.

Denn damit säße die deutsche Politik wieder in einer Automatismus-Falle wie damals mit Blick auf Afghanistan. Krieg – damit läge der „Bündnisfall“ nahe, in dem ein Angriff auf ein Mitglied der Nato als Attacke auf alle ihre Mitglieder gewertet wird und sie zum militärischen Handeln verpflichtet sind. Die Ministerin nahm in Kauf, dass ihre Äußerungen als ausweichend gewertet wurden. Das waren sie auch. Was die Bundesregierung, was der Bundestag als letzte Instanz für Entscheidungen über den Einsatz deutscher Truppen nun tun werden, dazu braucht es noch mindestens kurze Zeit der Beratungen außerhalb einer Talkshow.

Julia und Thomas Schmitz aus Köln, die die Anschläge in Paris überlebten, sitzen in Berlin im Gasometer in der ARD-Talkreihe Günther Jauch.
Julia und Thomas Schmitz aus Köln, die die Anschläge in Paris überlebten, sitzen in Berlin im Gasometer in der ARD-Talkreihe Günther Jauch.
dpa Lizenz
Journalist und Auto Ulrich Wickert
Journalist und Auto Ulrich Wickert
dpa Lizenz
Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments
Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments
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