"Tatort"-Kritik "Tatort"-Kritik: Klischees mit überraschender Lösung

Darum ging’s:
Frauen über 40 haben es nicht leicht. Sind sie Singles, dann hetzen sie den Männern hinterher, immer getrieben von der Angst, keinen mehr abzubekommen, bevor ihre Schönheit endgültig vergeht. Doch auch verheiratete Frauen sind nicht zwangsläufig glücklich. Sie lassen lieber zu, dass ihr untreuer Ehemann jede Nacht eine andere abschleppt, als ihn zu verlassen und dann zwangsläufig zur erstgenannten Gruppe zu gehören. Im neuen Leipziger „Tatort“ wurde eine dieser Single-Frauen jenseits der 40 nach einer wilden Partynacht tot aufgefunden. Julia Marschner (Oana Solomon) wurde erdrosselt, an Armen und Beinen fanden sich Fesselspuren, sie hatte kurz vor ihrem Tod Sex. Ihre beiden besten Freundinnen wussten angeblich nicht, wann und mit wem sie die Party verlassen hat. Verdächtige für die Tat gab es mehr als genug. Der Freund (Franz Dinda) der Tochter, der auch der Mutter schöne Augen machte, der Flirtcoach (Marc Hosemann), mit dem sie eine Affäre hatte und der Schönheitschirurg Peter Hauptmann (Filip Peeters), der an dem Abend auch in der Disco gesehen wurde.
Das war der Schuldige:
Am Ende war es keiner der verdächtigen Männer, sondern eine Frau. Silvie Stein (Ursina Lardi) ist zwar eine erfolgreiche Anwältin, aber letztlich ist sie – wie alle Frauen in diesem „Tatort“ – ein liebesbedürftiges Wrack. Seit Jahren liebt sie den Schönheitschirurgen Peter Hauptmann (Filip Peeters), doch der nutzt sie bloß für seine Sadomaso-Vorlieben aus. Als Silvie mitansehen musste, wie ihre Freundin Julia ausgerechnet mit ihm nach Hause ging, drehte sie durch und ermordete sie. Wie die zierliche Frau es schaffte, den Leichnam zum späteren Fundort zu transportieren, ließ der „Tatort“ offen.
So waren die Schauspieler:
Martin Wuttke spielte Kommissar Keppler gewohnt souverän, Simone Thomalla Kommissarin Saalfeld gewohnt schmolllippig. Helen Woigk wirkte als Tochter des Opfers doch einigermaßen überfordert, auch die Gefühlsausbrüche der drei Freundinnen waren immer an der Grenze zum „zu viel“. Am überzeugendsten agierte Victoria Trauttmansdorff als betrogene Arztgattin Annika Hauptmann. Sie gab ihrer Figur genug Facetten, um sie nicht wie ein Abziehbild erscheinen zu lassen.
Das hätte man sich sparen können:
Die klischeehafte Darstellung von Frauen jenseits der 40: Sind sie Singles, dann hetzen sie den Männern hinterher, immer getrieben von der Angst, keinen mehr abzubekommen, bevor ihre Schönheit endgültig vergeht. Doch auch verheiratete Frauen in diesem Alter sind nicht zwangsläufig glücklich. Sie lassen lieber zu, dass ihr untreuer Ehemann jede Nacht eine andere abschleppt, als ihn zu verlassen und dann zwangsläufig zur erstgenannten Gruppe zu gehören.
Schlimmste Sätze:
Eindeutiger Sieger in dieser Kategorie ist Tom Römer (Marc Hosemann). Der schmierige Flirtcoach, der sich selbst Venuskünstler nennt und seine Dienste allen Ernstes mit „Hokus Pokus Koitus – vom Loser zum Lover“ bewirbt. Er hat Weisheiten parat wie: „Die sehnen sich nach Komplimenten, gerade in der Zeit, in der sie kippen, zwischen 40 und 50“. Es geht aber noch schlimmer. Ein Beispiel: „Mich interessiert immer nur das Game, der Approach, ob ich danach noch ‘nen Close-Fuck habe, ist mir doch egal!“.
Fazit:
Ging es im Hamburger „Tatort“ der vergangenen Woche vor allem um Machos im Testosteronrausch, waren im drittletzten Fall der Leipziger Ermittler die Frauen dran. Und zwar vor und hinter der Kamera. Das Buch zu „Frühstück für immer“ stammt von Katrin Bühlig, Regie führte Claudia Garde, und hinter der Kamera stand Birgit Gundjonsdottir. Da ist es eigentlich erstaunlich, dass dieser „Tatort“ vor allem durch seine klischeehafte Darstellung der Geschlechter auffiel. Wobei das nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer betraf. Sie hielten sich allesamt für unwiderstehlich. Das galt für den Flirttrainer ebenso wie für den Schönheitschirurgen, der sie anscheinend alle haben kann, und den jugendlichen Schönling sowieso. Einzig die einigermaßen überraschende Auflösung beschert dem Fall ein paar Pluspunkte.