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T. Lux Feininger T. Lux Feininger: Das süße Singen aus der See

Von CHRISTIAN EGER 10.06.2010, 18:26

Halle (Saale)/MZ. - Im vergangenen Jahr hat er noch gemalt. Geometrische Flächen, Würfel im Anschnitt, bildnerische Rückrufe seiner Lehrjahre am Dessauer Bauhaus, an dem T. Lux Feininger von 1926 bis 1929 studierte. Auch ein in verschiedenen Stufen von Grün gestaltetes Rasenstück entstand, auf dem sich eine Schlange zeigt, die der Maler vor 30 Jahren gesehen haben will. So geht das zu, wenn man auf zehn Lebensjahrzehnte zurückblickt: Die Gegenwart sinkt ab, die Erinnerungen steigen nach oben.

Es gehe Feininger den Umständen entsprechend gut, sagt der hallesche Kunstwissenschaftler Wolfgang Büche, der den Maler zuletzt im Sommer 2009 besuchte. Im amerikanischen Ostküstenort Cambridge, Massachusetts, wo der uralte Mann ein dreigeschossiges Holzhaus bewohnt, das auf einem von ihm gefertigten Linolschnitt aussieht wie die Villa Kunterbunt.

Bei Gropius die erste Zigarette

Den Umständen entsprechend am Freitag 100 Jahre alt wird. Auch wenn er körperlich inzwischen auf Betreuung angewiesen ist, sei T. Lux Feininger doch geistig hellwach, sagt Büche, den eine langjährige Freundschaft mit dem Jubilar verbindet, der nach dem Tod seiner zweiten Frau allein lebt. Ein Übriggebliebener, auch als Künstler. Einer der Allerletzten, die nicht nur Zeugen, sondern Akteure des von ihnen ihn zahllosen Interviews bezeugten Bauhauses gewesen sind.

Der Mann auf der Brücke, die die Epoche der Gestaltungshochschule in Weimar und Dessau mit unserer Gegenwart verbindet, die das Bauhaus als Weltkulturerbe feiert. Eine Epoche, über die der jüngste von drei Söhnen des Malerstars Lyonel Feininger (1871-1956) in seiner 2006 auf Deutsch veröffentlichten Autobiografie Auskunft gab. Unprätentiös. Subjektiv. Mit lebenskluger Lässigkeit. Der jüngste Feininger, der nun der Letzte und Älteste ist: Theodor Luke - genannt Lux -, 1910 geboren in Berlin-Zehlendorf. Das erste gehörte Wort, das er erinnert: "At-täll-jäh"! Gesprochen von einem der Hausmädchen, auf die Frage, ob für den Vater ein Gedeck auf den Mittagstisch gestellt werden soll. Das erste Bild, das er erinnert: ein Gedränge am Bahnhof, nachdem 1914 der Ruf von der "Mobilmachung" die Runde machte. Die erste Zigarette, die er raucht: in der Wohnung des Bauhausgründers Walter Gropius zur Silvesterfeier 1919. Da ist T. Lux Feininger neun Jahre alt. Eindrücklich sind die Erinnerungen an Weimar, wohin der Vater Lyonel 1919 als Bauhaus-Professor berufen wird. T. Lux Feininger beschreibt die Stadt als ein nachherzogliches Idyll: "die tiefe Ruhe der von Bäumen beschatteten Schillerstraße", "Lagerfeuer, Gitarren und Singgruppen an Sommerabenden im Wäldchen". Andererseits die Reaktionen auf das Bauhaus "bis hin zu offener Feindschaft". 1926 gemeinsam mit dem Bauhaus die Übersiedlung nach Dessau: "viel urbaner als die alte, kleine Goethestadt", schreibt T. Lux Feininger.

"In einer industrialisierten Umgebung gelegen, stand das politische Naturell dort mehr im Einklang mit den neuen Ideen und war folglich weniger leicht durch exotische Erscheinungen einzuschüchtern; ironischerweise gab es wegen der höheren Toleranz gegenüber fremden Einflüssen aber auch weniger Bedarf für sie." Drei Dinge interessieren den Jungen: die Fotografie, die Bühnenarbeit bei Oskar Schlemmer, die Bauhaus-Kapelle.

Süchtig nach Meer

Die ersten Malversuche seines Sohnes nimmt Lyonel Feininger mit Wohlwollen zur Kenntnis. Im Gegensatz zu den Bauhaus-Aktivisten unter dem Sozialisten Hannes Meyer: die mit "Theodor Lux" gezeichneten Bilder seien "gesellschaftlich bedeutungslos". Das sahen auch Meyers politische Gegner so. 1932 zieht Feininger mit seinem Bruder Andreas nach Paris, vier Jahre darauf verlässt er gemeinsam mit seinen Eltern Europa in Richtung Amerika, das Geburtsland seines Vaters. Mit diesem verbindet den Sohn sehr viel: genauso meeressüchtig, romantisch und einzelgängerisch ist er. Wie der Vater, der 1956 im Alter von 84 Jahren in New York sterben soll, findet T. Lux seine Themen in der Welt des Meeres und der Schifffahrt.

Auf die Frage, was ihn nach einer Krise aufgerichtet habe, antwortete T. Lux einmal: "das süße Singen aus der See". Das Meer dient ihm als Medium der Selbst- und Kunstanschauung. Das der halleschen Moritzburg gehörende Gemälde "The Nigger of the Narcissus" (1933) zum Beispiel, das einen in Blau gekleideten Matrosen vor einem Großsegler zeigt, kommentierte T. Lux Feininger so: "Ich sehe meinen schwarzen Seemann als Musterbeispiel des Künstlers, der in einer Welt alleine ist, die nicht er ist; der im Schatten von etwas geht, das er nicht geschaffen hat; und der ein Spiegelbild seiner selbst sucht, um es zu fragen, wer er ist."

Zwei Ehen, drei Söhne und Posten als Kunst-Dozent in New York, Harvard und Boston: Das sind die äußeren Daten seiner amerikanischen Biografie. Zu dieser gehört die Laufbahn als Künstler - in verschiedenen Geschwindigkeiten. Früh wird der dem Neuen Sehen verpflichtete Fotograf anerkannt: Das berühmte Bild der Studentinnen auf der Dessauer Bauhaustreppe stammt von ihm; bereits 1931 kauft das Museum of Modern Art in New York eine Foto-Kollektion an. Der Maler-Ruhm lässt sich Zeit. Vor allem durch die halleschen Ausstellungen erfährt der Ruf Feiningers in den 90er Jahren neue Kraft. Eines Malers, der immer auch den Akt des Sehens und das Erlebnis der Form thematisiert.

Unter dem Titel "Welten-Segler" läuft bis zum 28. August in der Kunsthalle Kiel eine T. Lux-Schau der Werke von 1929 bis 1942, die über Paderborn nach Quedlinburg wandern soll, wo diese vom Mai 2011 an zu sehen sein wird. Fernab von Massachusetts, wo T. Lux Feininger am Freitag seinen 100. Geburtstag feiert. Ganz in Familie.

Hommage an T. Lux Feininger zum 100. Geburtstag: am 17. Juni, Dessau, Meisterhaus Muche-Schlemmer, 17.30-19 Uhr.

Kunst-Kabinett Usedom in Benz, Insel Usedom: T. Lux Feininger. Fotografie am Bauhaus. Ganzjährig: Fr, Sa, So 11-17 Uhr.