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Szeneklub in Halle Szeneklub in Halle: Das Objekt der musikalischen Begierde

Von Steffen Könau 13.05.2016, 20:43
Falkenberg im Objekt 5
Falkenberg im Objekt 5 Steffen Könau

Halle (Saale) - Die Gäste aus Hamburg schüttelten die Köpfe. Vor der Tür Trabi-Ruinen, an der Wand ein DDR-Emblem, am Ausschank das Schild „Bereich der vorbildlichen Ordnung und Sicherheit“. Niels Frevert, Sänger der Band Nationalgalerie, war skeptisch. Durch das Dach über dem Konzertsaal, in dem seine Gruppe spielen sollte, tropfte eindeutig Regen an diesem Novembertag des Jahres 1993. Frevert fragte nach: „Ich hab’ noch nicht begriffen, was das hier ist - ein alter Hinterhof oder was?“

Genau. Mit Dach. Und das mit Loch. Frevert war hingerissen. „Finde ich Klasse, den Schuppen“, lautete sein Satz, den in den folgenden 23 Jahren Dutzende Künstler wiederholt haben. Ein Saal, in dem Publikum und Band einander aus wenigen Metern in die Augen schauen können? „Ich habe noch niemals vorher so etwas gesehen“, lobte Marc Pilley von der schottischen Gruppe Hobotalk. Chris Eckman von den The Walkabouts schaltete bei einem Solo-Auftritt einfach sein Mikrofon ab. Ohne könne man viel besser zuhören. Dabei wäre Eckman beinahe nicht mehr in den Genuss gekommen, im Objekt 5 zu spielen. Denn schon fünf Jahre nach der Eröffnung war eigentlich alles vorbei.

Alles aus und vorbei?

Das Szenelokal, in den gesetzlosen Wirren der Wende in einer Ruine im halleschen Norden entstanden, wurde vom Bauordnungsamt gesperrt. Es fehle ein statisches Gutachten für die improvisierte Überdachung des Innenhofes. Alles aus und vorbei? Die Rettung kam in Form einiger Versteifungen, mit denen das Dach festgezurrt wurde.

Und in Person eines Gutachters, der bestätigte, dass die Abdeckung halten wird. Führende Stadtpolitiker unterzogen sich dem Test: Während die Folkrockband The Schramms beim Soundcheck war, tapsten sie mutig durch den Saal. Und waren begeistert. Noch vor Konzertbeginn war die Schließungsverfügung Geschichte.

Dieser Tag der größten Krise des größten kleinen Klubs in Sachsen-Anhalt aber war der Anfang einer Professionalisierung. Aus dem provisorischen „Objekt“ wuchs der heute weit über Sachsen-Anhalt hinaus bekannte Klub: Ein neues, richtiges Dach kam und ein gemütlicher Biergarten. Neue Toiletten, eine neue Lichtanlage, später ein Restaurant im Nebenhaus. Und der alte Name, entstanden, weil zu DDR-Zeiten ein wegen ruhestörenden Lärms herbeigeeilter Volkspolizist das Haus in der Seebener Straße Nummer 5 so bezeichnet hatte, wurde mit neuen Inhalten gefüllt.

Die Stars reisen seitdem aus aller Welt an. Rocklegende Peter Hammill war hier, Fischer-Z-Gründer John Watts und Kevin Coyne, Bands wie The National, Loney, Dear und die Oysterband. Dazu kommen einheimische Stars wie Rockhaus, Falkenberg oder Jimmy Kelly und Kultveranstaltungen wie das vom Objekt veranstaltete jährliche Weihnachtssingen.

Die Mischung stimmt und die Stimmung auch. Auch ein Vierteljahrhundert nach seiner Gründung - unter anderem durch den Musiker Jan Möser, den Maler Moritz Götze, den Bürgerrechtler Matthias Waschitschka, den heutigen Bestseller-Autoren Stefan Ludwig und die heutigen Hauschefs Matthias Augustin und Markus Keitel - geht es nicht um die Art Kultur, die es überall gibt. Sondern um künstlerische Klasse aus den unendlich vielen Nischen, die im Radio oder im Fernsehen kaum laufen, trotzdem aber ihre Fans haben.

Konzept geht seit Jahren auf

Grenzen kennt Programmmacher Matthias Augustin dabei nicht. Grau gewordene DDR-Rockerneuerer wie Kai-Uwe Kohlschmidt (Sandow) oder Rex Joswig (Herbst in Peking) stehen neben Newcomern wie Coocon Fire, Satire von Olaf Schubert wechselt sich ab mit dem Pop-Rap von Clueso und Blues von Altmeister Mitch Ryder, die legendären Animals stehen neben dem schottischen Gitarrenzauberer Jackie Leven und Ärzte-Trommler Bela B. auf Solo-Tour.

Ein Konzept, das seit Jahren aufgeht und das deshalb auch Pate steht für das einwöchige Rock- und Pop-Festival, das die Objekt-Macher zum Jubiläum gemeinsam mit der Konzertagentur Känguru Productions und dem Kunstmuseum Moritzburg im Hof des Ausstellungshauses ausrichten.

Vom Dienstag nach Pfingsten an lädt das Open-Air-Festival „Kunst Objekt 5 Moritzburg“ bis zum kommenden Sonntag zu sechs Konzertabenden mit Camille O’Sullivan aus Irland, dem Kölner Blues-star Henrik Freischlader, der die Kanadierin Layla Zoe mitbringt, den Lokalmatadoren von der Good Ol’ Blues Brothers Boys Band, der Swing-Virtuosin Alice Francis, dem deutschen Liederrocker Felix Meyer und der Barock’N’Roll-

Kapelle Horch aus Halle. (mz)

Tickets für das Festival:  www.objekt5.com