Stiftskirche Quedlinburg Stiftskirche Quedlinburg: Schwarze Schatten

quedlinburg/MZ - Es wird ein besonderer Gottesdienst sein, den die Gemeinde der Stiftskirche St. Servatii am Ostermontag feiert. Es jährt sich 2013 zum 75. Mal, dass die Schlüsselgewalt des Doms von den angestammten Hausherren, der Gemeinde, erzwungenermaßen an die SS und deren Oberschurken Heinrich Himmler, überging, die das Gotteshaus zu einer Weihestätte vorgeblich für König Heinrich I., aber vor allem für die SS selber, Hitlers Elitetruppe, umfunktionierten. Anlässlich dieses traurigen, aber sehr wohl erinnernswerten Jubiläums hat Ekkehard Steinhäuser soeben im Verlag Janos Stekovics einen schmalen, aber sehr genau dokumentierten Band zum Hergang der Okkupation veröffentlicht: „Die entweihte Kirche“.
Steinhäuser, der Pfarrer an der Stiftskirche und theologischer Vorstand der Domschätze von Halberstadt und Quedlinburg ist, hat sich in seiner Publikation absichtsvoll jeder Wertung enthalten, wie er sagt. Das liegt nicht daran, dass er keine Position zu den skandalösen, wenn auch nicht bespiellosen Vorgängen hätte - in Wewelsburg unweit von Paderborn in Nordrhein-Westfalen hat die SS ein ganzes Dorf samt Burg in Beschlag genommen. Steinhäuser geht es wie dem Autor Steffen Jindra, der in der Stiftskirche eine sehr informative, sehenswerte Ausstellung zur Geschichte ihrer Entweihung eingerichtet hat, darum, anhand überlieferter Quellen zunächst die Vorgänge so präzise wie möglich darzustellen, um damit die Voraussetzung für eine Debatte zu schaffen.
Die kann nun, nachdem Buch wie Ausstellung der Öffentlichkeit frei stehen werden, beginnen. Am Montag, mit dem Gottesdienst, wird die Geschichtsschau offiziell eröffnet, interessierte Dombesucher haben sie freilich schon dieser Tage sehen können.
Jindra hat bereits einen Film zum „Geheimnis des Quedlinburger Doms“ gedreht, der im Herbst vom Mitteldeutschen Rundfunk ausgestrahlt worden ist. Bei ihren Recherchen sind Jindra und Steinhäuser, gemeinsam mit dem Domkustos Thomas Labusiak die „Väter“ der Ausstellung, auf Punkte gestoßen, wo man eben nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch viele indifferente Grautöne erkennt. Jindra verweist auf die Denkmalpfleger, die den Umbau des Gotteshauses, zumal die „Wiederherstellung“ des gewaltigen romanischen Chors im Innern, begleiteten, den es tatsächlich nicht gegeben hatte. Das gotische Chorgewölbe wurde zerstört, um eine neoromanische Apsis zu errichten.
Fragen gibt es auch an das Verhalten des damaligen Oberbürgermeisters, des Kirchengemeinderates und der Bürger Quedlinburgs überhaupt, die den pompösen Inszenierungen der SS zahlreich die jubelnde Staffage gaben.
Am ehesten ist es der Dompfarrer Rudolf Hein, Mitglied der Bekennenden Kirche, der als Widerständler herausragt. Hein äußerte schon 1936, als die SS mit einer ersten Weihefeier in der Kirche ihre Ansprüche demonstrativ artikuliert hatte, seine Sorgen: Gottes Wort sei mit Füßen getreten worden. Und prompt wurde Hein vom Vorsitzenden des Gemeindekirchenrates, dem Superintendenten Johannes Schmidt, zurückgepfiffen. Wohl hatte der auch kein Herz für die Nazis, hoffte aber, durch Taktieren den Dom vor ihnen bewahren zu können. Ein Irrtum, wie sich zeigen sollte. Am 6. Februar 1938 musste er die Schlüssel übergeben. Noch am selben Tag wehte die Fahne der SS auf dem Turm.
Der Gedenkgottesdienst in der Stiftskirche Quedlinburg beginnt am Ostermontag um 11 Uhr. Zugleich wird an diesem Tag die Ausstellung „Die entweihte Kirche“ eröffnet.