Stereophonics Stereophonics: Hinter dem Regenbogen
Halle/MZ. - Was soll danach noch kommen? Noch mehr Tourneen, noch größere Hallen, noch goldenere Goldene Schallplatten? Statt zwei Millionen verkaufter Alben vielleicht vier? Kelly Jones, der die Stereophonics von Anfang an als Trio mit seinen beiden Schulfreunden Richard Jones und Stuart Cable betreibt, saß im Land hinter dem Regenbogen. Ein Rockstar, der eigentlich keiner sein wollte, ein Millionär, dem Geld immer noch weniger bedeutet als eine gute Melodie.
Der 27-Jährige, in Wales eine Art Nationalheiliger, begann also wieder, Lieder zu schreiben. "Ich ging von zehn bis sechs ins Studio und nahm mir vor, jeden Tag einen Song fertigzustellen", sagt der Mann mit der kratzigsten Stimme der Rock-Gegenwart. Jones ist ein Fan von The Who, The Kinks und John Fogertys Creedence Clearwater Revival, Ikonen, die zeitweise ebenso arbeiteten.
Und denen sich das neue Stereophonics-Album "You gotta go there to come back" (V2) nun auch unüberhörbar annähert: Wo beim letzten Werk noch akustische Nachdenklichkeit dominierte, orgelt Album Nummer 4 in der Gesamtzählung sehr viel härter los. "Help me", fleht Kelly Jones zu Riffgitarren, ein verzerrter Bass schlurft durch den Hintergrund und schon die ausufernde Länge von über sechs Minuten macht klar: Das Radio kann uns mal.
Dort werde ja sowieso nur noch Einheitsbrei ausgegeben, glaubt Kelly Jones. "Heute klingen alle Platten gleich, es gibt keine Individualität mehr." Von einigen Ausnahmen abgesehen - denn "You gotta go there to come back", übersetzt etwa soviel wie "Du musst fortgehen und zurückkommen zu können", überrascht mit dreizehn Stücken zwischen rabiatem Rock, gefühlvollem Soul wie in "Maybe Tomorrow" und extravagen Ausflügen in das Reich der Beatles, etwa zu Sgt. Peppers-Zeiten ("You stole my money honey"). Die einfachen Melodien, die das überraschende Debütalbum "Word Gets Around" zum Millionenseller aus dem Nichts gemacht hatten, sind verschwunden. "You gotta", das auf dem Cover ein Bild von Kelly Vater und seinem Bruder am Tisch des "Holly Bush"-Pup in Cwmaman zeigt, ist komplizierter und im ersten Moment weniger eingängig. Erst nach und nach erschließt sich die spröde Schönheit von Songs wie "Climbing the Wall" und "Getaway", die mit Streichern und Bläsern verziert sind. Kelly Jones flüstert dazu, er klingt beschwörend und wütend, die Stimmbänder verknotet, die Kehle kein Reibeisen, sondern ein Sägeblatt.
Letztendlich aber bleibt es Rock, trotz Background-Mädchen und Orchestereinsatz. "Wir wollten uns wieder daran erinnern, dass es bei Musik nicht um Ruhm geht, sondern um unsere Seele", beschreibt Kelly Jones, warum die Stereophonics in Stuart Cables alter Garage für die Studioaufnahmen übten, statt sich ein Haus in Los Angeles zu mieten, wie das die Kollegen von Radiohead gerade taten.
Dass man weggehen muss, um zurück kommen zu können, heißt eben auch: Man muss etwas erst vermissen, um seinen Wert zu schätzen. Die Stereophonics waren dort, in der Heimat der Stones und Stings. Sie fanden "Pots of Gold" (Liedtitel) und finstere Eifersucht und sind jetzt wieder da. Das Schlüssel-Stück zum Werk heißt wie das Album "You gotta go there to come back", es erzählt in vier Minuten die ganze Wahrheit über Drogen, Lügen und Rock'n'Roll. Und trägt den tröstlichen Untertitel: "Ich bin in Ordnung".