Sprache Sprache: Wie lautet das Lieblingswort der Deutschen?

München/Berlin/dpa. - Sättigungsbeilage, Weltschmerz oderliebestrunken? Oder sollte doch besser maulfaul, Augenschmaus,Zimtzicke oder der Kulturbeutel das «schönste deutsche Wort» werden?Die Resonanz ist gewaltig: Über 17 000 Vorschläge - darunterMehrfachnennungen - sind seit Mai für den Wettbewerb des DeutschenSprachrats aus dem In- und Ausland eingegangen. An diesem Sonntag (1.August) ist Einsendeschluss. Der Gewinner soll im Herbst währendeiner Live-Sendung im Fernsehen in Berlin bekannt gegeben werden. Erkann sich über eine Flugreise nach Mauritius freuen.
Deutschlands oberste Sprachwächter hatten die Idee dazu. ImDeutschen Sprachrat haben sich das Goethe-Institut (München), dasInstitut für Deutsche Sprache (Mannheim) und die Gesellschaft fürdeutsche Sprache (Wiesbaden) zusammengeschlossen. Dabei ging es nichtum «Deutschtümelei, sondern die Freude an der deutschen Sprache imIn- und Ausland zu beleben», beschrieb Jutta Limbach, Präsidentindes Goethe-Instituts, das Ziel. Eine 14-köpfige Jury filtert dasschönste deutsche Wort heraus. Der Sprachrat hat allerdings zuvor dieüber 17 000 Vorschläge auf 30 eingedampft.
Die Subjektivität ist dabei gewollt, sagt Projektleiter RolfPeter. Egal, ob man ein bestimmtes Wort liebt, weil es Erinnerungenweckt, Gefühle beschwört, etwas auf den Punkt bringt oder einfachschön klingt - erlaubt ist alles: Dialekt, Umgangssprache oderDichterworte. Der Bogen spannt sich dementsprechend weit. Bei den«Top 5» schlägt im Volk der Dichter und Denker die deutscheEmpfindsamkeit durch: Liebe auf Platz 1, gefolgt von Heimat, Glück,Sehnsucht und Vergissmeinnicht.
Beliebt sind auch Frühlingserwachen und Wolkenkuckucksheim. Dochauch die Sozialversicherungsfachangestellte und derLebensabschnittsbegleiter konkurrieren mit Mausi, bumsfidel,Anwohnerparkausweis, Hornhauthobel, Schweinehund oder Fracksausen.
Wegen dieser Beliebigkeit hält der Germanistik-Professor HorstDieter Schlosser «gar nichts» von dem Wettbewerb. «Was will manbewirken? Wenn von Lieschen Müller bis zum Nobelpreisträger allemitmachen sollen, kann nur ein Sammelsurium herauskommen», kritisiertder Initiator des seit 1991 gekürten «Unwort des Jahres». Loriot habesich mit seinem Vorschlag Auslegeware bereits über den Wettbewerblustig gemacht. «Was sind die Kriterien, wenn Leute "Mausi"einreichen können? Wenn der geballten sprachwissenschaftlichen Kraftdreier Institute nichts Ernsthafteres einfällt, finde ich dasärmlich.»
Prof. Ulrich Ott, Leiter des Deutschen Literaturarchivs, kanndieser spielerischen Beschäftigung mit Sprache einen «gewissenPropagandawert abgewinnen, die eigene Sprache zu reflektieren». DerBerliner Linguistik-Professor Ekkehard König bucht den Wettbewerbeher unter «Amüsierbeitrag in der Frühnachrichtensendung» ab. Er seijedoch nicht völlig überflüssig, «weil er in bescheidener Weise zumNachdenken über Sprache anregt».
Die Kritik Schlossers mag Projektleiter Peter nicht gelten lassen.«Auf den Charme der Begründung für das Lieblingswort kommt es an,wenn man den 1. Platz gewinnen will», betont er. Die Teilnehmermerkten, wie schön und reichhaltig die deutsche Sprache sei. «Inwelcher anderen Sprache kann man über Komposita neue Wortwelten wieFichtennadelschaumbad schöpfen?»
So machte sich auch die Prominenz intensiv Gedanken.Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) erkorErfahrungsschatz zu ihrem schönsten Wort, «weil Erfahrung imDeutschen alles beinhalte, was Wahrnehmen, Erleben, Fühlen und Wissenheißt». Bundestags-Vizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne) entschiedsich für Wiesenschaumkraut, weil es «eine wunderbare Sprach- undBildmalerei» sei. Ihr CDU-Kollege Norbert Lammert plädierte fürFreudentränen, weil so zwei ganz unterschiedliche Gefühle verbundenwerden. Das Lieblingswort des Kabarettisten Jürgen Becker lautet«und» - «weil danach ja immer noch was kommt».