1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Spardebatte Gastbeitrag Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff: Spardebatte Gastbeitrag Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff: "Derartige Konzeptionslosigkeit noch nie erlebt"

Spardebatte Gastbeitrag Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff Spardebatte Gastbeitrag Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff: "Derartige Konzeptionslosigkeit noch nie erlebt"

Von Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff 16.07.2013, 17:17
„So geht man nicht mit Menschen um!“, Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, CDU-Kulturpolitiker
„So geht man nicht mit Menschen um!“, Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, CDU-Kulturpolitiker DPA/horst ossinger Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Dass auch in Sachsen-Anhalt Haushaltsmittel gekürzt werden müssen, ist unbestreitbar. Und dass die Kultur stets besonders laut aufschreit, wenn es sie betrifft, ist hinlänglich bekannt. Aber dass Kürzungen derart konzeptionslos vorgenommen werden und gemäß der Devise, den Ast abzusägen, auf dem das Land, seine Städte und nicht zuletzt seine Bürgerinnen und Bürger sitzen (und sogar wachsen können), habe ich in meinem 30-jährigen Berufsleben als politischer Kulturbeamter bisher noch nicht erlebt.

Dabei sah anfangs alles so durchdacht aus: Da beruft das Land mit großem Tam-Tam einen Kulturkonvent, der ihm dann rät, die Kultur neu zu strukturieren und den Kulturetat keinesfalls zu kürzen, ja sogar aus zwingenden Gründen den Theateretat zu erhöhen – und was macht der zuständige Minister?

Er schmeißt das Ganze kurzerhand in die Tonne und versetzt, ohne dem eine eigene Konzeption entgegenzusetzen oder auch nur annähernd zu sagen, wie es danach weitergehen soll, zumindest zwei Theatern den Todesstoß, indem er ihnen jeweils rund drei Millionen Euro streicht.

Als relativ intimer Kenner der Finanzsituation des Theaters in Dessau behaupte ich, dass dieses beim besten Willen nicht mehr die Kraft hat, selbst nach einer – aus meiner Sicht keineswegs zu befürwortenden - Schließung von Schauspiel, Ballett, Puppentheater und Kinder- und Jugendtheater diese Kürzung aufzufangen, zumal das Orchester bereits für den Erhalt von Stellen auf 20 Prozent seines Einkommens verzichtet hat und den diesbezüglichen, Ende diesen Jahres (!) auslaufenden Haustarifvertrag bei Streichung weiterer Stellen kaum verlängern wollen dürfte.

Ich weiß daher beim besten Willen nicht, welchen Rat ich dem Theater und der Stadt Dessau geben soll. Und ich finde: So geht man nicht mit Menschen um!

Wie es auch anders geht, beweist derzeit in Mecklenburg-Vorpommern der Kollege und Parteifreund von Herrn Dorgerloh, Kultusminister Brodkorb. Schon seit Jahren hat er ein Einfrieren des Theateretats bis 2020 verfügt, und geht dennoch gleichzeitig mit Energie eine totale Neuordnung der Theater- und Orchesterlandschaft seines Landes an, indem er dieser unter bestimmten Bedingungen eine Mitträgerschaft des Landes anbietet.

So umstritten diese Bedingungen natürlich derzeit vor Ort auch sein mögen – dieser Minister gibt nicht „Steine statt Brot“, sondern ist bereit, sich auf Dauer in die Pflicht nehmen zu lassen und aktiv am Erhalt der Theater- und Orchesterlandschaft seines Landes mitzuarbeiten.

Nichts anderes ist auch in Sachsen-Anhalt dringlicher denn je! Meine Empfehlung lautet: Endlich eine Neustrukturierung der Theater- und Orchesterlandschaft unter Beteiligung und Federführung des Landes anzugehen und überdies zu beherzigen, dass die grandiose Kultur Sachsen-Anhalts dessen einzige Chance ist, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen.