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Spanien Spanien: Luis Buñuel schockt mit Schnitten ins Auge

Von Jörg Vogelsänger 23.07.2008, 07:43
Das undatierte Archivbild zeigt den spanischen Filmregisseur Luis Buñuel. Gleich mit seinem ersten Film sorgte Bunuel (1900-1983) für einen Skandal. Nie zuvor waren derart grausige Bilder auf der Leinwand zu sehen gewesen wie 1929 in «Ein andalusischer Hund». (Foto: dpa)
Das undatierte Archivbild zeigt den spanischen Filmregisseur Luis Buñuel. Gleich mit seinem ersten Film sorgte Bunuel (1900-1983) für einen Skandal. Nie zuvor waren derart grausige Bilder auf der Leinwand zu sehen gewesen wie 1929 in «Ein andalusischer Hund». (Foto: dpa) dpa

Madrid/dpa. - Nie zuvor waren derart grausige Bilder auf derLeinwand zu sehen gewesen wie 1929 in «Ein andalusischer Hund». DasDrehbuch zu dem Avantgardewerk hatte der (am 29. Juli) vor 25 Jahrengestorbene Filmemacher mit dem surrealistischen Maler Salvador Dalígeschrieben.

«Ich will nicht, dass er die Zuschauer erfreut, er soll siebeleidigen», sagte Buñuel über die Absicht des Films. Doch was dieÖffentlichkeit damals schockierte, sollte später zum Vorbild vielerHorror-Klassiker werden. Ebenso wie bei Alfred Hitchcocks «Psycho»(1960) finden sich bei «Das Schweigen der Lämmer» (1990) von JonathanDemme Elemente aus Buñuels Streifen wieder, so etwa der Totenkopf-Falter, der auch die Filmplakate mit der Hauptdarstellerin JodieFoster zierte. David Bowie war von dem Buñuel-Werk so fasziniert,dass er es bei einer Tournee 1976 vor jedem seiner Konzerte zeigenließ.

Mit «Ein andalusischer Hund» und dem 1930 entstandenen Film «Dasgoldene Zeitalter» gelangte der Surrealismus in die Kinos. DochBuñuels zweites Werk ging den Zensoren zu weit. Die harscheLeinwandattacke gegen bürgerliche Doppelmoral und Kirche führte ineinem Pariser Kino zu Tumulten und wurde schließlich verboten. Zudemkam es zwischen dem Regisseur und Dalí zum Bruch: Zwar hatten sieerneut das Drehbuch gemeinsam verfasst, doch der Atheist Buñuelveränderte den Film dermaßen, dass der Maler ihn nicht wiedererkannteund wegen des antiklerikalen Inhalts ablehnte.

Für den aus einer wohlhabenden und strenggläubigen Familiestammenden Regisseur war dies dagegen nur der Anfang einer von derKritik an Katholizismus und sozialen Zuständen geprägtenFilmkarriere. Buñuel und Dalí hatten sich in der Residencia deEstudiantes in Madrid kennengelernt, einem Universitätsinstitut zurFörderung Hochbegabter. Dort hatte die berühmte «Generation von 1927»ihren Ursprung, zu der auch Dichter wie Federico García Lorca undRafael Alberti zählen.

Am 22. Februar 1900 in Calanda in Nordspanien geboren, war Buñuelals 17-Jähriger eigentlich nach Madrid gezogen, um Agronomie zustudieren. Gegen den Willen des Vaters ging er schließlich ohneAbschluss nach Paris und wurde an der Filmakademie Schüler undAssistent von Jean Epstein. Nach der Ausrufung der Republik kehrteBuñuel 1931 nach Spanien zurück und drehte ein Jahr später denDokumentarfilm «Las Hurdes/Land ohne Brot» über das Elend derMenschen in der kargen Region Extremadura. Die Bilder vonKinderleichen auf den Straßen erschienen selbst der damaligenRegierung so brutal, dass sie den Film - zur Verbitterung desüberzeugten Republikaners und KP-Mitglieds Buñuel - verbot.

Der Sieg der Faschisten unter Francisco Franco im Bürgerkrieg(1936-1939) zwang ihn schließlich ins Exil. Nach einigen eherfruchtlosen Jahren in Hollywood und New York - das Museum of ModernArt entließ ihn, weil er von Dalí als Kommunist denunziert wurde -zog Buñuel 1946 mit seiner Ehefrau Jeanne nach Mexiko.

Das lateinamerikanische Land wurde nicht nur seine zweite Heimat,dort drehte er auch 20 seiner mehr als 30 Filme. «Verglichen mit demRest der Welt spüre ich hier eine Atmosphäre der Freiheit und desFriedens, und ich kann mich ohne Repressalien meiner Arbeit widmen.Ist das nicht wundervoll?», schrieb er damals einem Freund. Buñuelwurde mexikanischer Staatsbürger, in dem Land wuchsen seine SöhneRafael und Juan Luis auf. Dort entstand unter anderem das Meisterwerk«Die Vergessenen» (1950), ein schonungsloses Porträt vonStraßenkindern aus den Armenvierteln von Mexiko-Stadt.Sozialkritische Filme wie «Nazarín» (1958) folgten.

Trotz der Franco-Diktatur (1939-1975) kehrte Buñuel 1961kurzzeitig in sein Land zurück, um «Viridiana» zu drehen. Der Filmgewann zwar in Cannes die Goldene Palme, wurde in Spanien aber alsaufrührerisch gebrandmarkt und sofort verboten. Unvergessen bliebauch «Belle de jour» (1966) mit Catherine Deneuve in der Hauptrolle.Doch erst im hohen Alter erhielt Buñuel seine größte internationaleEhrung: «Der diskrete Charme der Bourgeoisie» bekam 1973 den Oscarals bester fremdsprachlicher Film. Am 29. Juli 1983 starb derRegisseur in der mexikanischen Hauptstadt.