Spanien Spanien: Der «ewige Skeptiker» Ayala ist tot

Madrid/dpa. - Offizielle Empfänge waren ihmzuwider. Ayala führte lieber ein zurückgezogenes Leben. Am Dienstagstarb er in Madrid im Alter von 103 Jahren.
Der aus Granada in Südspanien stammende Schriftsteller galt alseiner der wichtigsten spanischen Denker der Gegenwart. Um Modetrendsoder den Geschmack des breiten Publikums scherte er sich wenig.Dennoch erhielt er so ziemlich alle Auszeichnungen, die in derspanischsprachigen Welt vergeben werden - vom NationalenLiteraturpreis (1983) über den Cervantes-Preis (1991) bis hin zumPrinz-von-Asturien-Preis (1998).
«Ich wurde quasi als Skeptiker geboren», sagte Ayala einmal. «Ichhabe nie an etwas allzu fest geglaubt, sondern alles in Zweifelgezogen. Dieser Zweifel ließ sich am besten durch das Schreiben zumAusdruck bringen.» Bei einer Buchvorstellung überraschte der fürseinen trockenen Humor bekannte Autor die Gäste mit der Begrüßung:«Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind. Was soll ich sonst sagen?Ich, für meinen Teil, habe genug von Francisco Ayala.»
Ayala schrieb nicht nur Romane und Erzählungen, sondern auchLiteraturkritiken und soziologische Essays. Zudem übersetzte er Werkevon Rainer Maria Rilke und Thomas Mann ins Spanische. Auf Deutscherschien von ihm unter anderem eine Auswahl von Erzählungen unter demTitel «Der Kopf des Lammes» und der Roman «Wie Hunde sterben».
Der Autor verstand sich als ein Moralist und Liberaler, der den«moralischen Verfall der Gesellschaft» beklagte. In einem Land wieSpanien, in dem sich eine tiefe Kluft zwischen der Rechten und derLinken auftut und eine liberale Mitte praktisch fehlt, blieb er stetsein Einzelkämpfer. Er ließ sich politisch nie von einer Parteivereinnahmen und galt als das «lebende Gewissen Spaniens».
Als junger Mann hatte Ayala zunächst mit der Malerei begonnen,seine Werke aber vernichtet, weil sie seinen Ansprüchen nichtgenügten. Mit 19 Jahren veröffentlichte er seinen ersten Roman. AlsStudent lernte er 1929 bis 1931 in Berlin die Weimarer Republikkennen. Vom Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs (1936-1939) wurde erwährend einer Vortragsreise in Lateinamerika überrascht. Er kehrte indie von den Republikanern kontrollierte Zone zurück. Nach dem Siegdes späteren Diktators Franco ging er ins Exil - zunächst nachArgentinien und später nach Puerto Rico und in die USA. 1960 kehrteer nach Spanien zurück, lehrte aber auch weiter an Universitäten inChicago und New York.
Ayala verzehrte größere Mengen an Honig und genehmigte sichtäglich sein Gläschen Whisky. Bis kurz vor seinem Tod erfreute sichder Autor mit den funkelnden Augen und der schmächtigen Figur einerguten Gesundheit. Eine Brille trug er nur zum Lesen. Zu seinem 100.Geburtstag erinnerte er daran, dass er in seinem Alter eigentlich«keine Zukunft» mehr habe: «Ich mache keine Pläne mehr. Ich fühlemich, als wäre ich mein eigener Vorfahr.»