Soulwax Soulwax: Vereinen, was nicht zusammen gehört
Hamburg/dpa. - Soulwax sind wieder da. Nach ihrem letzten regulären Longplayer "Much Against Everyone's Advice" und dem erfolgreichen Mix-Projekt 2 Many DJs haben sie sich viel Zeit für das neue Album "Any Minute Now" gelassen. Soviel vorab: Die neue CD läßt keine Wünsche offen und ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert und verwirrend.
Soulwax wurde 1995 von den Brüdern Stephen und David Dewaele gegründet und bestehen weiterhin aus den Mitgliedern Stefaan Van Leuven und Steve Slingeneyer. 1995 brachte die Band ihre erste EP "2nd Handsome Blues" heraus. Ein Jahr später folgte der erste Longplayer "Leave the Story Untold". 1999 kam mit dem Album "Much Against Everyone's Advice" und der gleichnamigen Singleauskopplung der verdiente Erfolg. Allerdings sorgte diese erfolgreiche Single auch dafür, dass weniger versierte Kenner von Soulwax die Band ungerechtfertigter Weise in die Schublade "sympathische Rockjungs" einordneten.
2002 schrieben die Dewaele-Brüder unter dem Namen 2 Many DJs Musikgeschichte. Das Album "As Heard On Radio Soulwax Vol. 2" legalisierte erstmals den Bastardpop, bei dem üblicher Weise die mehr oder weniger bekannten Songs völlig unterschiedlicher Künstler zu einem neuen Track kombiniert werden. Vielen Hörern wird beispielsweise die perfekte Verschmelzung von 10CCs "Dreadlock Holidays" und Destinys Child "Independent Women Part 1" ein Begriff sein.
Das neue Album "Any Minute Now" mit seiner gleichnamigen Single beginnt nun dort, wo viele Hörer Soulwax selbst das letzte Mal laut und deutlich vernommen hat. Bei einer Rocknummer, die der 99er-Auskopplung "Much Against Everyone's Advice" in nichts nachsteht. Bei der neuen Single handelt es sich um einen weitestgehend gitarrenlastigen Drei-Minuten-Kracher der mit feedbackähnlichen Störgeräuschen und einem mitreißenden Refrain schön over the top produziert wurde. Das zugehörige hervorragende Video zeigt das aggressive Verhalten von Straßenpassanten, das sich im letzten Drittel des Videos in einer Massenschlägerei entlädt.
Wie bereits angedeutet, Soulwax haben ein intensives, intelligentes und immer wieder überraschendes Album abgeliefert. Viele der Songs kommen im klassischen Rockgewand daher, werden mit jeder Minute mitreißender und bieten hymnische Refrains zum Mitsingen. Doch mit Rock hat das häufig nichts zu tun. Soulwax ahmen mit einer gehörigen Portion Elektronik die typischen Rockschemen nach. Die aktuelle Single wird beispielsweise nach genauerem Hinhören nicht mit den typischen Schlagzeugstöcken eingetaktet sondern mit einem seltsam rückwärts klingenden Sound. Viele fette Gitarrenwände und Feedbackgewitter stellen sich bei genauem Vergleich als präzise programmierte Synthesizergeräusche heraus.
Der Opener "E-Talking" ist eine solche Nummer, der nach einem langen Intro losrockt, ohne sich dabei der üblichen Instrumentierung zu bedienen. Der Song "Compute" entwickelt sich ebenfalls zu einer mitreißenden Rocksong, nutzt hierbei aber auch gerade in den ersten zweieinhalb Minuten überwiegend elektronische Mittel. Das gleiche gilt für den Kracher "Slowdance", der auch nicht ohne synthetische Verfremdung auskommt. Soulwax zitieren bei diesen Stücken die Mittel des Rocks nicht, sie parodieren ihn auch nicht oder versuchen mit synthetischen Mitteln härter als hart zu sein. Soulwax ersetzen intelligent und angemessen und erweitern dabei die Möglichkeiten und die Wirkungsweise von Rockmusik.
Neben diesen Songs finden sich auch noch einige weitere Stücke, die nichts oder nur wenig mit den üblichen Rockschemen zu tun haben. "Please Don't Be Yourself" enthält eine rein elektronische Instrumentierung mit monoton gehaltenem Gesang, "Accidents And Compliments" bietet eine schöne Herz-Schmerz-Ballade. "NY Excuse" elektrorockt wieder ohne echte Gitarren und bedient sich shoutendem Frauengesang. Als Produzent für das aktuelle Album wurde Flood verpflichtet, der bereits die Smashing Pumpkins, Nine Inch Nails oder Renegade Soundwave produziert hat. Am Mischpult saß Alan Moulder, den man durch seine Zusammenarbeit mit etwa Depeche Mode oder den Yeah Yeah Yeahs kennengelernt hat.
Soulwax liefern mit diesem Album ein unglaublich intelligentes und clever gemixtes Album ab. Wieder sticht das Kompliment, das man ihnen bereits schon bei dem vorherigen Longplayer machen konnte: "Any Minute Now" ist keine Kopfgeburt, keine künstlich wirkende Konstruktion, sondern eine schon fast auf unnatürliche Art und Weise organische Platte, die vereint, was eigentlich nicht zusammengehört. In dieser Perfektion können das nur Soulwax! Bleibt abschließend zu hoffen, dass sie demnächst auch in Deutschland die wahrscheinlich gar nicht mehr so kleinen Hallen zum Toben bringen.