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Sorbisches Nationalensemble Sorbisches Nationalensemble: Neue Intendantin Vettraino setzt erste Akzente

Von Hendrik Lasch 31.07.2010, 11:43
Teilnehmer in sorbischer Tracht verfolgen in Burg im Spreewald das Hahnrupfen. Sprache soll im Sorbischen Nationalensemble mehr Gewicht erhalten. (FOTO: DDP)
Teilnehmer in sorbischer Tracht verfolgen in Burg im Spreewald das Hahnrupfen. Sprache soll im Sorbischen Nationalensemble mehr Gewicht erhalten. (FOTO: DDP) ddp

Bautzen/ddp. - Das Sorbische Nationalensemble hat MilenaVettraino zu ihrem ersten richtigen Bühnenauftritt verholfen. ZwölfJahre alt war die Hornistin aus dem Dorf Kanecy, als sie im BautzenerVeranstaltungssaal «Krone» erstmals als Solistin mit Orchesterauftrat. «Die Musik hatte auf einmal so viel Kraft», sagt die heute41-Jährige: «Das war ein tolles Gefühl.»

Für Vettraino war das der Beginn einer bemerkenswerten Karriere.Nach ihrer Ausbildung an der Musikhochschule Dresden wurde sie zueiner gefragten Solistin, die mit Orchestern in New York und Genua,Bremen, Münster und Essen auftrat. Nun aber hat sie das Instrument indie Ecke gestellt, um in anderer Funktion an den Beginn ihrerLaufbahn zurückzukehren: Seit Mai ist Vettraino Intendantin desSorbischen Nationalensembles. In wenigen Tagen beginnt die ersteSaison unter ihrer Leitung.

Zu beneiden ist sie um die Aufgabe nicht. Nachdem das 1952gegründete Ensemble zuletzt mit erheblichen finanziellenSchwierigkeiten zu kämpfen hatte, beschloss der Rat der Stiftung fürdas sorbische Volk im Mai 2010 einen tief greifenden Sparplan. Vonbisher 107 Stellen werden 27 in Chor, Ballett und Orchester sowie inder Verwaltung gestrichen. Künftig muss die Kultureinrichtung miteinem Etat von vier Millionen Euro im Jahr auskommen, das sind 900000 Euro weniger als bisher.

Vettraino, die in Salzburg auch Kulturmanagement studiert hat,erweckt nicht den Anschein, als werde ihr angesichts dessen bange.Sie habe das Konzept in einer Arbeitsgruppe selbst mit ausgearbeitet:«Da kann man nicht davonlaufen, wenn es umgesetzt werden soll.»Außerdem, sagt sie, «habe ich schon immer gern organisiert». So seieinmal zwei Stunden vor dem Auftritt ihres Bläserensembles einSponsor abgesprungen. Plötzlich fehlten 2000 Euro. Vettrainotelefonierte eifrig, und zehn Minuten vor Konzertbeginn war die Lückegeschlossen.

Ähnliches Talent wird sie an ihrer neuen Arbeitsstätte brauchen -und sie scheint es bereits unter Beweis zu stellen: Eine Bank wurdeals Sponsor gewonnen, zudem gibt es Ideen zur besseren Vermarktung.So will ein Bautzener Hotel künftig touristische Pakete schnüren. ZurStädtereise nach Bautzen soll dann auch ein Besuch beim SorbischenNationalensemble gehören.

Solche Neuerungen hält Vettraino auch deshalb für wichtig, weilsie das Ensemble stärker als kulturellen Botschafter der slawischenMinderheit profilieren will. Sie selbst wuchs in einemsorbischsprachigen Dorf auf, lernte Deutsch erst ab der zweitenKlasse und sprach mit ihren beiden Kindern auch an ihrem bisherigenWohnort Köln Sorbisch. Sie weiß aber auch, dass außerhalb desSiedlungsgebietes in der Lausitz kaum etwas über die Sorben und ihreKultur bekannt ist.

Während das Ensemble bisher traditionsreiche Inszenierungenaufführte, die von Tänzen in farbenfrohen Trachten lebten, willVettraino der Sprache mehr Gewicht geben. So sollen im Programmverstärkt Chorwerke und Lieder auftauchen. Während der Spielzeit2010/11 wird mit Festtagen an den Komponisten Bjarnat Krawc-Schneidererinnert, dessen Geburtstag sich im Februar zum 150. Mal jährt. Erhat viele reizvolle Kunstlieder komponiert.

Mehr Aufmerksamkeit gilt zudem der Förderung des musikalischenNachwuchses. Ab September lädt sie zu Familienkonzerten, bei denenKinder auch mitspielen und -singen können. Außerdem wird eineAkademie eingerichtet, die begabte Kinder und Jugendliche fördernsowie die Laiengruppen sorbischer Musiker und Tänzer besserunterstützen soll.

Profitieren werden diese dabei auch von der WeltgewandtheitVettrainos, die in Nordrhein-Westfalen beispielsweise ein Projekt zurmusikalischen Frühförderung kennen lernte und Ähnliches in Bautzenaufbauen will. Angesichts ihrer Biografie macht es ihr keine Sorge,wenn Jugendliche die sorbische Heimat verlassen: «Es hieß schonimmer, dass Müllerburschen auf Wanderschaft gehen sollen.» Mit denErfahrungen, die sie in der Welt gesammelt haben, sollten siefreilich später zurückkommen.

Auch in dieser Beziehung hat sie schon Kontakte geknüpft: DerTrompeter Rainer Ziesch und die Schauspielerin Gabriele-MariaSchmeide sind eingeladen - beides Sorben, die jenseits der Heimatkünstlerische Karriere gemacht haben.