"Sommersonnenwende" "Sommersonnenwende": Hallesche Firma an Koproduktion beteiligt

Oelzschau/MZ - „Stiiiigestannn“, brüllt der Feldwebel, die Truppe strafft sich, um den neuen Kommandeur ihres Polizeipostens, einen zackigen Oberleutnant, zu begrüßen. Der hat gleich etwas zu picken, da findet er ein Stäubchen an der Uniform eines Soldaten, dort hat einer vorschriftswidrig ein Tuch um den Hals geschlungen.
Das soll, das wird sich ändern, der Oberleutnant will ordentlich Schliff in die müde Truppe bringen. Die lebt bisher ganz kommod auf ihrem Posten im sogenannten Generalgouvernement, jenem Teil Polens, den die Deutschen während des Zweiten Weltkrieges zwar besetzt, aber nicht dem „Reich“ einverleibt hatten.
Es ist das Jahr 1943, die Zeichen, dass die Deutschen den Krieg verlieren werden, mehren sich nach der Niederlage von Stalingrad. Von Siegestaumel ist jedenfalls nichts zu spüren bei jener Einheit im Süden Polens, die unweit vom Vernichtungslager Auschwitz stationiert ist. Die Uniformierten gehören der Ordnungspolizei an und sind damit direkt der SS unterstellt - also alles andere als ein harmloser „Verein“. Aber nicht alle wollen Mörder sein, schon gar nicht der 17-jährige Guido, der fast noch ein Kind ist.
Film von Mitteldeutscher Medienförderung unterstützt
Vor diesem Hintergrund spielt der von der Mitteldeutschen Medienförderung unterstützte Film, der unter dem Arbeitstitel „Sommersonnenwende“ zurzeit von der polnischen Firma Prasa i Film und mehreren deutschen Partnern produziert wird, darunter die in Halle ansässige Sunday Filmproduktions GmbH. Regie führt Michael Rogalski, der auch das Drehbuch geschrieben hat.
Drei junge Leute stehen im Zentrum der Geschichte, ein Deutscher, zwei Polen, 16 und 17 Jahre alt. Der Deutsche, gespielt von Jungstar Jonas Nay (siehe auch den Infokasten neben dem Foto) fühlt sich fremd in der Welt der dröhnenden Stiefel und Männergespräche, der Schatten des Krieges macht ihm Angst. Lieber verkriecht er sich auf einem Dachboden, hört verbotene Jazzmusik und träumt von Franka (Urszula Bogucka), der Tochter eines Bauern, der die deutschen Besatzer versorgt.
Auch Romek (Filip Piotrowicz) ist verliebt in Franka. Alle drei verstehen die grausame Logik des Krieges nicht, sie wollen leben und glücklich sein. Aber natürlich können sie sich dem Geschehen nicht entziehen, nicht einfach aussteigen aus der Welt, die durch den deutschen Überfall aus den Fugen geraten ist und auch im Kleinen, in jenem Nest, wo die Drei einander begegnen, nicht geheilt werden kann. Die Züge voller deportierter Juden, die nach Auschwitz gebracht werden, sind eine alltägliche Realität.
Romek muss zudem Verantwortung für seine Mutter übernehmen, sein Vater ist schon vor dem Krieg verschwunden. Dann schließt sich ihm auch noch das jüdische Mädchen Bunia an, dem die Flucht aus einem der Züge gelungen ist. Die Handlung spitzt sich immer mehr zu, und auch das Glück, das Guido und Franka auf dem Dachboden finden, wird entdeckt und brutal zerschlagen werden.
Eine faszinierende, traurige Geschichte von Deutschen und Polen, gedreht an Schauplätzen in beiden Ländern - und offensichtlich in großer Harmonie, wie sich im sächsischen Oelzschau, einem kleinen Dorf zwischen Riesa und Torgau, zeigt: am Set, vor und in einem maroden, aus der Zeit gefallenen Gutshaus, aber auch während der Pausen am „Speisewagen“, der auf dem Sportplatz des kleinen Dorfes steht. René Frotscher und Thomas Jeschner, die halleschen Produzenten, bestätigen die gute Stimmung, die eine zusätzliche Legitimation für das Unternehmen schafft.
Hoffen auf Einladung zu einem der großen Filmfestivals
Ein Zeichen nicht nur für diese Produktion allein, mit der sie für das kommende Jahr auf eine Einladung zu einem der großen Filmfestivals hoffen, wie Jeschner sagt. Die Erleichterung ist durchaus auch politischer Natur: Immerhin lagen die Nerven in Polen zuletzt blank, nachdem der deutsche Fernsehfilm „Unsere Mütter, unsere Väter“ ausgestrahlt worden war. Darin wird auf „dunkle Stellen“ im Geschichtsbild der Polen verwiesen. Dies aber, so Frotscher, wollten (und würden) die Polen schon lieber selber tun und sich nicht ausgerechnet von den Erben der deutschen Geschichte daran erinnern lassen, dass es in ihrem Land auch Antisemitismus gab (und wohl auch noch gibt). Man kann die Verletzung immerhin nachvollziehen.
Für Jonas Nay, einen wunderbaren, empfindsamen Schauspieler, ist es auch ein Glück, in dieser Produktion zu spielen, er hat viel gelesen über jene ferne, aber unvergessliche Zeit des großen Verbrechens, in die er nun einsteigen muss. „Je mehr man sich damit beschäftigt“, sagt der 23-Jährige, „um so unfassbarer wird es eigentlich“.
