«Soldaten sind Mörder» «Soldaten sind Mörder»: Kant und Goethe vor Gericht
BERLIN/DPA. - Sein Satz schlug ein wie eine Bombe und wie ein schwerer, in den See geworfener Stein zieht er bis heute seine Kreise.
Am 4. August 1931 veröffentlichte die Wochenzeitung "Weltbühne" in einer "Friedensnummer" einen Beitrag ihres Autoren Tucholsky unter dem Pseudonym Ignaz Wrobel. Unter der Überschrift "Der bewachte Kriegsschauplatz" beschrieb der Pazifist, wie im Ersten Weltkrieg Feldgendarmen das Kampfgebiet absperrten und Deserteure niederschossen: "So kämpften sie. Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war. Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder." Schon seit 1912 hatte Tucholsky immer wieder geschrieben, dass Krieg Mord und Soldaten "professionelle Mörder" seien. Doch erst 1931 kam es deswegen zur Anklage - gegen den Chefredakteur der "Weltbühne", Carl von Ossietzky (1889-1938). In dem Prozess in Berlin 1932 sah die Staatsanwaltschaft die Reichswehr
beleidigt und beantragte sechs Monate Gefängnis. Die Verteidigung führte Zitate von Laotse, Voltaire, Kant, Goethe, Klopstock und Herder an, in denen Soldaten Mörder, Henker und Schlächter genannt werden. Das Gericht sprach Ossietzky frei.
Auch in der Bundesrepublik beschäftigte das Zitat immer wieder die Justiz - mit unterschiedlichen Ergebnissen. Mehrfach gab es dafür von Amtsgerichten Geldstrafen wegen Beleidigung, in einigen Fällen - wie 1987 in Frankfurt am Main - hob ein Landgericht als höhere Instanz den Richterspruch wieder auf. Die Frankfurter Strafkammer begründete ihre Entscheidung unter anderem damit, dass schon Ossietzky 1932 freigesprochen wurde.
In den 90er Jahren landete die umstrittene Äußerung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Nach der Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichts ist das Zitat nur unter engen Voraussetzungen als Beleidigung strafbar. In der letzten, am 7. November 1995 veröffentlichten Entscheidung dazu hieß es: Eine Verurteilung ist ausgeschlossen, wenn die Äußerung nicht auf die Herabsetzung einzelner Soldaten oder speziell der Bundeswehrangehörigen zielt. Es handele sich sonst nur um eine Kritik an "Soldatentum" und "Kriegshandwerk".
Wie bekannt das umstrittene Zitat "Soldaten sind Mörder" bis heute ist, zeigen auch Proteste gegen öffentliche Rekruten-Gelöbnisse, bei denen schon ein indirekter Hinweis darauf genügte. Bei der Zeremonie vor dem Bendler-Block in Berlin 1999 war es auf dem Regenschirm eines Zuschauers zu lesen, 2003 hoch über dem Hamburger Rathausmarkt auf einem Transparent: "Tucholsky hat recht!" - und alle wussten Bescheid.