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Semperoper Dresden Semperoper Dresden: Händels «Alcina» gefällt

Von Joachim Lange 02.11.2011, 19:53

Dresden/MZ. - Alcina folgt als Frau so radikal ihren Obsessionen, dass sie den Zauber der Leidenschaft zu entfesseln vermag. Und wenn sie sich längst dem nächsten Objekt der Begierde zuwendet, behält sie sogar ihre abgelegten Liebhaber als eine Art Männerzoo in ihrer Nähe. Erst als sie selbst vor der Zeit verlassen wird, büßt sie ihre Macht ein. Es gehört zu den Vorzügen der Dresdner Inszenierung des für den nächsten Bayreuther Holländer engagierten Regisseurs Jan Philipp Gloger (30), dass er seine Alcina nicht zum Monster überhöht. In Dresden wird sie am Ende nicht mit großem Theaterdonner in den Orkus befördert, sondern bleibt, ganz menschlich, verletzt und allein zurück.

Ihre Gegenspielerin (und Konkurrentin um die Liebe Ruggieros) Bradamante hingegen wird im Verlaufe ihrer Befreiungsmission, zu der sie (als ihr eigener Bruder getarnt) bei Alcina aufkreuzt, immer militanter. Die Sympathien sind damit nicht mehr so eindeutig verteilt, wie man es gewohnt ist. Ruggiero jedenfalls kann sich zwischen den beiden Lebens- und Liebesentwürfen, als deren Vertreterinnen Gloger die beiden exponiert, nicht mehr entscheiden. Als Pointe aus diesem Spiel mit der Wahrheit und Täuschung, der greifbaren Wirklichkeit und der Erinnerung, also einem Kampf mit sich selbst (einmal auch ganz wörtlich mit einem Doubel), vernichtet dieser Ruggiero nicht Alcina und ihre Insel, sondern erschießt sich selbst.

Glogers Inszenierung ist karg, jedoch nicht ohne dosierte Opulenz. Sie kommt ohne Mätzchen aus, bietet aber effektvolle Ambivalenzen. Und ist obendrein sängerfreundlich. Selbst wenn Alcina, als schlanke, blonde Schönheit im funkelnden Paillettenkleid nur einsam an der Rampe leidet, stockt dem Publikum der Atem! Überhaupt die Sänger: Amanda Majeski muss keinen Vergleich mit einer der gegenwärtigen Alcina-Interpretinnen scheuen, nach einem so überzeugenden vokalen und darstellerischen Zauber muss man lange suchen. Doch auch sonst obwaltet in der von Rainer Mühlbach dirigierten Aufführung der pure Luxus: Ob Nadja Mchantaf als ihre attraktive Schwester Morgana, ob der wunderbar strömende Ruggiero von Barbara Senator, oder Christa Mayers höchst souveräne Bradamante, der geschmeidige Simeon Esper als leichtfüßiger Morgana-Liebhaber Oronte, Markus Butters Melisso oder der Oberto von Elena Gorshunova - hier hat die Semperoper-Chefin Ulrike Hessler ein barockversiertes Ensemble aus ihrem Haus zusammengestellt, das sämtlichen Händelfestspielen zur Ehre gereichen würde.

Nächste Vorstellungen an der Semper-Oper: Freitag und am 10. November jeweils um 19 Uhr