Schwerin Schwerin: Die verkaufte Künstler-Seele

Schwerin/MZ. - Und schon im Titel will sieja gerade dies: "Zur Diskussion stellen",was der Bildhauer Arno Breker der deutschenKunstgeschichte hinterlassen hat.
Der Direktor des Schweriner "Schleswig-Holstein-Hauses",Rudolf Conrades, hat sein kommunales Museummit diesem heißen Eisen, das er wohlweislicham Ende seiner Amtszeit anfasst, mit einemSchlag aus provinzieller Achtbarkeit auf dienationale, und wahrscheinlich auch die internationaleBühne katapultiert. Denn Arno Breker, den"Lieblingsbildhauer des Führers", in einemMuseum öffentlicher Trägerschaft auszustellenist ein Tabubruch. In der offiziellen Museumsweltwollte sich (bisher) niemand dem Verdachtaussetzen, er beschädige die Verfolgten ausder "Entarteten Kunst", indem er Hitlers willfährigeHofkünstler wieder salonfähig mache.
Conradis weiß um diese Schwelle und gibt einesehr persönliche Erklärung für seine Hinwendungzu Breker. Im Begleitbuch zur Ausstellungschildert er, wie er bei der Vorbereitungeiner Ausstellung mit Grafik von Jean Cocteauvor einigen Jahren auf eine für ihn erstaunlicheTatsache stieß.
Dieses schillernde Genie nonkonformer französischerKunst, Literatur und Bühne pflegte von den20er Jahren bis zu seinem Tod im Jahr 1963eine unerschütterliche Freundschaft zu Breker.Wie viele andere Künstler seiner Generationhatte er auch die von den Besatzern ausgerichtetePariser Propaganda-Schau Brekers von 1942besucht. Und Breker galt auch noch anderenfranzösischen Meistern figurativer Avantgardewie etwa Aristide Maillol als einer der ihren.
Dies ist aber nicht die einzige Facette ausBrekers Biografie, die sich dem Bild vom linearenAufstieg und der eindimensionalen Entwicklungdes Künstlers in den Weg stellt. Unter derPrämisse, den Blick zu weiten, will Conrades"dem mündigen Publikum" originale Werke zeigenund Informationsquellen zur Verfügung stellen,damit es sich "seines Verstandes zur Meinungsbildungbedienen" kann.
Keine Lobhudelei
Dem Projekt förderlich ist das Ambientedes Hauses. Das barocke Bürgerpalais, dasnach der Wende mit Mitteln des PartnerlandesSchleswig-Holstein vor dem Verfall gerettetwurde und daher seinen Namen bekam, zeigtBrekers Werke in einer Art Kammerspiel. DieAuswahl schöpft aus dem von der Witwe in Düsseldorfverwalteten Nachlass. Befürchtungen sind aberhinfällig, das Museum stelle sich für eineposthume Rechtfertigung zur Verfügung. DerUmgang mit dem Gegenstand ist zweifelsfreiseriös. Von Lobhudelei wie im Walhalla derBreker-Gemeinde in Schloss Nörvenich ist keineSpur. Die einzelnen Raum-Texte stellen knappaber ohne Umschweife den Kontext her; derBegleitband erörtert die Hintergründe anhandvon Quellen und kommt zu fundierten Bewertungen.Der Blick auf das künstlerische Werk enthülltdie ganze Tragik des Künstlers Breker. Diewenigen erhaltenen Zeugnisse seines Reifeprozessesvom Studium an der Düsseldorfer Kunsthochschule(1920-1925) bis zu seinem Eintauchen in diePariser Kolonie avantgardistischer Bildhauer(1927-1932) lassen die vielgestaltige Begabungund den Experimentierwillen erkennen, diesich aus der intensiven Auseinandersetzungmit dem Klassizismus und mit Rodin ergeben.Die Skala reicht von der abstrahierenden Verknappungdes "Stehenden Mädchens" bis zur aufgewühlt-zerklüftetenExpressivität der Porträts dieser Zeit.
Polierter Heroismus
Dann verkauft Breker seine Seele an Hitlerund stellt dessen Größenwahn sein Talent zurVerfügung. Seine künstlerischen Mittel lenkter in einen glattpolierten Heroismus. DieModelle für die Reliefs des geplanten BerlinerTriumphbogens sind da beredte Zeugnisse. Nichtminder erhellend ist Brekers chamäleonartigeWandelbarkeit in den Arbeiten unmittelbarnach dem Krieg. Und eine zum Karree arrangierteGruppe von Porträtbüsten zeigt, wie Brekerdank seinen Verehrern aus der bundesrepublikanischenWirtschaft und Gesellschaft, aber auch vonskandalwitternden Künstlerkollegen wie SalvadorDali schließlich wieder unverblümt seinen"Schönheits"-Kitsch produziert und erotischeAltherren-Fantasien bedient.
Breker wird in der Schau weder politisch nochkünstlerisch entlastet. Aber der offene Umgangmit den bildnerischen wie archivalischen Zeugnissenrückt unbeachtete, weil verstörende Aspektedeutscher Kunst- und Kulturgeschichte derVor- und Nachkriegszeit in den Blick.