Schlosskirche Bernburg Schlosskirche Bernburg: Lautstarke Kunst von Moritz Götze

bernburg/MZ - Vor kurzem ist St. Ägidien wieder für den Gottesdienst und für Besucher geöffnet worden, nachdem die Bernburger Schlosskirche monatelang eingerüstet war: Zum einen, um ringsum die Wände in ein helles Weiß zu tauchen, zum anderen, um die erste Etappe zum geplanten großen Kunstprojekt des halleschen Künstlers Moritz Götze zurückzulegen.
In dem merklich aufgehellten Raum strahlt dem Besucher nun über der Altarnische die Taube des Heiligen Geists im goldenen Strahlenkranz entgegen und hoch oben im Gewölbe ein blauer Himmel mit goldenen Sternen, darum herum in den flachen Gewölbefeldern über den Emporen zuckerwatteartige Wolken in Orange vor wiederum himmelblauem Grund. Wolken und Strahlenkranz sind aus Email wie auch die schwirrenden Libellen, die Vorboten noch kommender Schöpfungsakte.
Das Kunstprojekt ist ausdrücklich kein Teil der Sanierung, für die die Landeskirche Anhalt und die Union der Evangelischen Kirchen den Großteil von 140?000 Euro beisteuern. Vielmehr gibt die Ostdeutsche Sparkassenstiftung mit 60?000 Euro das Geld für das künstlerische Programm, das in zwei weiteren Abschnitten zunächst den Altarraum und dann die Seitenschiffwände bis zum Querschiff erfassen wird. Laut Schätzungen wird nochmals dreimal diese Summe nötig sein, um das Bildprogramm wie vorgesehen auch über die Wände im ganzen Kirchenschiff zu ziehen, mit einer Landschaft voller regionaler Bildmotive als Sockel, von dem sich Vögel in die Lüfte schwingen.
Die neue Schöpfung
Die Bildthematik greift im Langhaus die Moses-Geschichte auf der einen und die Bergpredigt auf der andern Seite auf. Im Chor sind Kreuzigung und Auferstehung sowie die „neue Schöpfung“ angesagt, und von letzterer gibt es auf der Webseite der Kirchengemeinde das Foto einer 1:1-Vorzeichnung Götzes. Zu sehen sind Teenager in teils heutiger Alltagskleidung vor Paradieslandschaft, darunter aber auch ein Mädchen in langem romantischem Blumengewand. Wie schon begonnen, wird sich diese Bildwelt auf Emailplatten ausbreiten, die, vor die Wände geschraubt, das Bauwerk schonen und mit bunten Farben glänzen.
So wird nun erstmals auch in den Figuren deutlich, worum es in Bernburg mit Götzes Pop- und Comic-naher Kunst geht. „Wir öffnen uns neuen Kreisen“, sagt der Initiator der Kunst-Idee, der Gemeindepfarrer Sven Baier. Und das umso mehr, als er das Projekt „Campus Technicus“ unterstützt, die Zusammenlegung von drei Sekundarschulen in Alt- und Neubauten in unmittelbarer Nachbarschaft der Kirche. Die Stadt und der Landkreis beteiligten sich 2010 mit diesem Projekt an der Internationalen Bauausstellung des Landes und die offizielle Eröffnung steht im Dezember bevor. Das Campus-Konzept setzt auf die Mitwirkung lokaler Akteure, so neben Schloss-Museum und Musikschule auch St. Ägidien.
Es ist kaum zu bezweifeln, dass Kirche wie Stadt von dieser Gemeinschaftsaufgabe gegenseitig profitieren. Und natürlich ist es immer mutig und gewagt, einen historischen Kirchenraum mit zeitgenössischer Kunst zu beleben. Die Frage ist nur, ob das Projekt für St. Ägidien nicht den Kirchenraum aus dem Blick verliert. Der hätte nach vielfachen Umbauten und Veränderungen im Lauf seiner Geschichte nichts so sehr gebraucht wie ein Konzept zur Wiedergewinnung von Raumqualität. Da steht der hell überstrahlte Raum im Kontrast zum dunklen Kirchenschiff. Dort wiederum bilden Emporen, Orgelgehäuse und Gebälk isolierte Elemente. Es ist kein Zufall, dass sich die Gemeinde der restauratorischen Wiederherstellung einer wie auch immer gearteten historischen Farbfassung der Empore widersetzte und diese nach einer Reinigung lieber in unbestimmtem Grau belässt – was jetzt, da die Wände weiß sind, umso mehr auffällt.
Bunte Bilder lösen Defizite nicht
Moritz Götze ahnt selbst, dass es um den Kirchenraum geht. Am Beginn der Arbeiten sagte er: „Hier kann man als Künstler dazu beitragen, dass man die Wunden der Zeit repariert.“ Mit dieser Aufgabe wäre er in einem Konzept, das die Kirche als Raum und Architektur begreift, womöglich ein Akteur gewesen, der Akzente zu setzen weiß. So wie das Bildprogramm nun aber vorgesehen ist, setzt sich die vordergründigste Eigenschaft seiner Kunst, die schiere Lautstärke ungebrochener Primärfarben, durch, aus einem krassen Missverständnis heraus, das Pfarrer Baier einmal so formuliert hat: „Die Kirche war (im Verfall der 1970er Jahre) in der Bildlosigkeit angekommen, die biblische Geschichte ist aber voll von bunten Bildern.“
Bunte Bilder lösen die Defizite des Kirchenraums nicht: das diffuse Licht, die zusammenhanglosen Raumelemente, die mangelnde Gestaltqualität, wohin man schaut, bei den Leuchtkörpern, beim lokalpatriotischen Taufstein aus einem Salzbrocken, beim Altar, beim Pult. Nun soll Götze auch das richten, da er für Pult und Altar ebenfalls Emailbilder schaffen soll, ein „Abendmahl“ als Altarsockel, also in Kniehöhe des Priesters. Auf das Gewimmel der bunten Bilder angesprochen, das sich in St. Ägidien ausbreiten wird, zieht Pfarrer Baier gern den Vergleich zur Sixtinischen Kapelle. Die Papstkapelle im Vatikan war zu seiner Zeit der Schaukasten der Creme der florentiner Frührenaissance und gekrönt von Michelangelo: ein hoch gegriffener Vergleich, fürwahr.