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Schloss Köthen Schloss Köthen: Auferstehung im Geiste von Johann Sebastian Bach

Von Günter Kowa 13.03.2003, 09:43
Eine Besucherin des Schlosses Köthen fotografiert den alten Reitstall. Dieser soll bis 2007 saniert werden und dann als Ersatzspielstätte für den historischen Spiegelsaal fungieren, während dieser dann restauriert wird. Das Schloss Köthen war von 1606-1847 Residenz der Fürsten bzw. Herzöge von Anhalt-Köthen. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Teile des Schlosses zeitweise als Schule, Amtsgericht und Gefängnis genutzt. Heute befinden sich in der Anlage die Bach-Gedenkstätte, das Historische Museum für Mittelanhalt und das Naumann-Museum. (Foto: dpa)
Eine Besucherin des Schlosses Köthen fotografiert den alten Reitstall. Dieser soll bis 2007 saniert werden und dann als Ersatzspielstätte für den historischen Spiegelsaal fungieren, während dieser dann restauriert wird. Das Schloss Köthen war von 1606-1847 Residenz der Fürsten bzw. Herzöge von Anhalt-Köthen. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Teile des Schlosses zeitweise als Schule, Amtsgericht und Gefängnis genutzt. Heute befinden sich in der Anlage die Bach-Gedenkstätte, das Historische Museum für Mittelanhalt und das Naumann-Museum. (Foto: dpa) ZB

Köthen/MZ. - So soll nach diesen Vorstellungen eineKonzert- und Kongresshalle deren Mittelpunktwerden, die in der ruinösen ehemaligen Reithalleeingerichtet wird. 1941 ist dieses Bauwerkdes anhaltischen Klassizisten Christian GottfriedHeinrich Bandhauer (1790-1837) bis auf dieAußenmauern abgebrannt. Bis spätestens 2007will man es zusammen mit den gleichfalls BandhauerschenAnbauten der Remise vornehmlich in den Dienstder Bach-Akademie stellen.

Auch wenn die Stadt dann als eigentlicherTräger der Halle das Programm bestimmen wird,zeigt schon die Finanzierung die weithin überregionaleAusrichtung des Projektes. Die EuropäischeUnion übernimmt drei Viertel der auf sechsMillionen veranschlagten Baukosten. Für dieIdee, nicht nur Festival-Höhepunkte zu setzen,sondern mittels Meisterklassen über das Jahrverteilt für musikalische Anziehungskraftzu sorgen, setzt sich ein Komitee internationalausgewiesener Musiker ein.

Aber der Schub aus dem Geiste Bachs - KöthenerHofkapellmeister von 1717 bis 1723 - verführtoffenbar auch zu Übertreibungen. Diese sindfür die bevorstehende architektonisch-gestalterischeAufgabe nicht ohne Relevanz. So verteilt dieKöthener Bach-Akademie eine unerklärlicherweisein Holland verfasste Broschüre zu dem Projekt,die sich über die Baugeschichte des Schlosseskomplett irreführend äußert. Da ist vom "Restaurierenim Bachschen Stil" die Rede, und vom Spiegelsaal"im Glanz des 18. Jahrhunderts".

Der prägende Einfluss Bandhauers ist aberneben der Kern-Bauzeit an der Wende vom 16.zum 17. Jahrhundert das eigentliche Charakteristikumdes Ensembles. Und so ergibt sich für dieGegenwart die reizvolle Aufgabe, in das Korsetteines Bandhauer-Baus - nämlich die Reithalle- einen Neubau einzufügen. Die Parallele dazuliegt im Spiegelsaal, den Bandhauer 1822 inden um 1600 errichteten Ludwigsbau einfügte.

Die Bauherren nehmen die Aufgabe durchausernst, wie es der europaweit und über Internetglobal ausgeschriebene Architektenwettbewerbzeigt. Im September soll eine Jury über siebenaus einer Vorrunde ausgewählte Beiträge entscheiden.Jedoch spielte der Name Bandhauer auch beider gestrigen Pressevorstellung nur eine Rolleam Rande, Bach dagegen um so mehr. Der geplanteUmbau ist aber die Chance, das immer nochvernachlässigte Erbe Bandhauers für die Regionwirksam zu machen.

Am Köthener Schloss ist Bach gewiss geistig-kulturellanwesend, Bandhauer dagegen gestalterisch-konkret.Nichts wäre verkehrter, als seine Bauten innerhalbder Anlage jeweils als Einzel-Maßnahme zubetrachten. Zugleich darf man auf den geplantenKonzertsaal gespannt sein. Er muss die ganzeBandbreite des musikalischen Geschehens aufnehmen,auf Bandhauers singuläre Architektur reagierenund außerdem eine selbstbewusste Neuschöpfungsein.