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Schlichte Schönheit - Reiner Kunzes neuer Lyrikband

Von Andreas Heimann 19.09.2007, 10:36

Frankfurt/Main/dpa. - Reiner Kunze hat sich Zeit gelassen. Sein neuer, schmaler Gedichtband «lindennacht» ist der erste nach langer Pause. Das Warten hat sich gelohnt. Kunze, der im kommenden April 75 Jahre alt wird, hat ein lyrisches Spätwerk vorgelegt, das schon durch seine Schlichtheit beeindruckt.

Es sind 80 Gedichte geworden, die meisten davon aus den vergangenen drei Jahren, alle geradezu minimalistisch. Reiner Kunze setzt auf die kleine Form, trägt nicht dick auf und fasziniert dadurch umso mehr.

Seine Lyrik kommt ohne Reime aus, ohne Punkt und Komma und ohne Großbuchstaben. Selten braucht sie viele Strophen. Im Gegenteil, Kunze zeigt, wie man mit wenig Aufwand dennoch viel sagen kann. «Harter Januar» ist ein Musterbeispiel dafür: Das komplette Gedicht besteht nur aus neun Wörtern und benötigt kein einziges Verb. Für die Erkenntnis, dass gerade das Schlichte schön ist, steht Reiner Kunze als Autor schon lange. In «lindennacht» setzt er das so konsequent um wie noch nie. Oft spiegelt sich darin die Beschäftigung mit japanischer Lyrik und asiatischer Philosophie wieder: «Schule des Haiku» heißt eines der Gedichte - Reiner Kunze hat dort viel gelernt.

Der Lyrikband ist in fünf nach Themen geordneten Abschnitte gegliedert. In vielen Gedichten erinnert sich der 1933 im sächsischen Erzgebirge geborene Autor an seine Kindheit. «Nach dem Krieg» beispielsweise erzählt von der Armut dieser Zeit, «Schachttasche» mit der für den Gedichtband typischen schlichten Schönheit von der Ledertasche des Großvaters, die dieser jeden Tag mit zur Arbeit nahm. Alter, Sterben und Tod sind ein anderer wichtiger Themenkreis, mit dem Kunze sich intensiver denn je beschäftigt - klug, einfühlsam und unpathetisch.

Reiner Kunze

lindennacht

S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main

108 S., Euro 17,90

ISBN 978-3-1004-2024-4