1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Schauspiel Leipzig: Schauspiel Leipzig: Hackordnung der Ratten im Reinraum

Schauspiel Leipzig Schauspiel Leipzig: Hackordnung der Ratten im Reinraum

Von Andreas Hillger 10.10.2006, 18:25

Leipzig/MZ. - Christian Schlüters Inszenierung, die als Teil einer Ring-Uraufführung für die Neue Szene des Schauspiels Leipzig entstanden ist, verwandelt die festgeschriebene Hierarchie der handelnden Figuren in ein spielerisches Rotations-Prinzip. Wie beim Flaschendrehen wird mit Hilfe eines Mikrofons festgelegt, wer hinter dem Schreibtisch des Vorgesetzten Platz nehmen darf und wer die Verzichtserklärung für den Fall einer Entlassung unterschreiben muss. Zwischen den Polen pendelt eine Berufsanfängerin, die sich der Hackordnung später durch direkten Kontakt zur Chefetage entziehen wird - nicht, ohne vorher ihren Spielraum auf unterer Ebene ausgereizt zu haben.

Mit Marlène Dunker, Stephanie Schönfeld und vor allem mit Michael Schrodt steht der Regie ein Trio zu Gebote, das diesen Murmeltiertag mit Rollentausch als virtuose Schlacht präsentiert. In Jürgen Höths futuristischer Butzenstube, die hinter Wabenwänden seltsame Kreaturen und rätselhafte Lichtsignale ausbrütet, halten sie die Betriebstemperatur an der Schwelle zur Hysterie mit Tabletten und Whisky aufrecht. Vor allem der Supervisor Bernie, der mit seiner Schwärmerei für den traurigen Clown Buster Keaton seine eigene Lächerlichkeit kultiviert, ist hier ein Muster des von Macht und Angst zerfressenen Angestellten.

Dass der Slapstick dennoch einen faden Nachgeschmack hinterlässt, liegt ausgerechnet an den dramaturgischen Verbesserungs-Versuchen. Weil Christian Schlüter in verkorksten Situationen die Rückspul-Taste drückt, nimmt er eigentlich unumkehrbaren Abläufen ihre Konsequenz. Als Versuchsanordnung mit Ratten im Reinraum, die das "gegenständliche Dasein der Industrie" als "das aufgeschlagne Buch der menschlichen Wesenkräfte" (Karl Marx) abbildet, mag man das Spiel dennoch goutieren - wenn man denn über den Sadismus der Masochisten lachen kann.

Die existenzielle Not aber - die Kater diesmal in einem Lebensbereich sucht, der sich seiner Milieukenntnis entzieht - wird dem Text dadurch ausgetrieben. Denn jedes Opfer fühlt sich wohler, wenn es weiß, dass es beim nächsten Mal vielleicht der Täter sein darf.

Nächste Vorstellungen: 17. und 28. Oktober, je 20 Uhr