Schau in Dessauer Meisterhaus Schau in Dessauer Meisterhaus: Mit vollen Segeln in eine bessere Zukunft
Dessau/MZ. - Bereits im Eingangsbereich wölben sich dem Besucher Texttafeln wie gespannte Segel entgegen, die aus der Fläche in den Raum streben. So wird die auratische Farbigkeit der Zimmer zwar verdeckt, aber nicht beschädigt - und der Prozess der Emanzipation in ein überraschendes Bild gefasst. Denn obwohl die Schau keinen hysterischen Feminismus verbreitet, sondern erfreulich unaufgeregt über ihren Gegenstand berichtet, geht es letztlich doch um einen radikalen Aufbruch.
Zwei Fakten belegen dies nachdrücklich: Zwar waren 1925 bereits 35 Prozent der Frauen erwerbstätig, unter den 29 Architektur-Diplomanden am Bauhaus Dessau aber finden sich nur vier weibliche Namen. Als Spiegel der Gesellschaft gefiel sich also auch diese ausdrücklich der Zukunft zugewandte Akademie in einer konservativen Zuweisung: Junge Frauen wurden vor allem in der Weberei ausgebildet, zur Werkstatt-Leiterin brachte es lediglich die Metallgestalterin Marianne Brandt.
Dass es dennoch zahlreiche Ausnahmen von der Regel gab, belegt die Schau anhand von beeindruckenden Biografien. So findet sich mit Marlene Moeschke-Poelzig (1894-1984) eine Architektin, die gemeinsam mit ihrem Mann Hans Poelzig repräsentative und vor allem in ihrer Beleuchtung innovative Bauten wie das Frankfurter Verwaltungsgebäude der IG Farben oder das Berliner Schauspielhaus-Foyer kreierte - und parallel ihr Privathaus als Modellfall der Moderne gestaltete. Dass sie zudem als Szenografin für so berühmte Filme wie Paul Wegeners "Der Golem, wie er in die Welt kam" wirkte, steigert die Bewunderung für das Pensum der dreifachen Mutter.
Selbst wenn man damit jene Klischees bedient, von denen die Architektur-Historikerinnen die Debatte befreien wollen, muss man dieser privaten Zusatzbelastung Rechnung tragen - zumal sich die Modernisierung der Hausarbeit auch im professionellen Interesse der "neuen Frauen" niederschlägt. Das beweist in der Schau nicht nur die legendäre "Frankfurter Küche" von Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000), sondern auch das umfangreiche publizistische Werk der Erna Meyer (1890-1975).
Vielfältig wie die Architektur-Ansätze, die vom lebensreformerischen Siedlungsbau bis zum avantgardistischen Entwurf reichen, gestalten sich auch die Lebensläufe: Von der pragmatischen Edith Dinkelmann (1896-1984), die unübersehbare Spuren in Dessau, Genthin, Halberstadt und Magdeburg hinterließ, spannt sich der Bogen bis zur eher unsteten Kath Both (1905-1985), die von der Burg Giebichenstein an das Bauhaus wechselte - und dort nach eigenem Bekunden "nix gelernt", aber den "Charakter gefestigt" hat.
Allen Frauen gemeinsam aber ist ein harter Bruch, der durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten entstand und den lediglich einige der flankierend vorgestellten Künstlerinnen wie die Tänzerin Gret Palucca (1902-1993) überstanden. Durch die verordnete Rückkehr zu Heim und Herd wurden "die Neuen" ihrer exponierten Stellung beraubt - und konnten sie nach 1945 nicht zurückerobern.
Ausstellung bis zum 29. August, Di-So 10-18 Uhr, Katalog 19,90 Euro