Salzburger Festspiele Salzburger Festspiele: Zwischen Witz und Abgrund

Salzburg/dpa. - Einen starken Auftakt zu den SalzburgerFestspielen hat Martin Kusej mit seiner Neuinszenierung der Nestroy-Posse «Höllenangst» geboten. Der Schauspielchef des Festivals löstden Dreiakter um Obrigkeitshörigkeit und Aberglaube ausbiedermeierlichem Dekor und hält mit einem hervorragenden Ensembleund viel schwarzem Humor die Balance zwischen Witz und Abgrund. DasPremierenpublikum zeigte sich am Sonntagabend im Landestheater vondem rund zweistündigen, pausenlosen Abend einhellig begeistert undspendete anhaltenden, kräftigen Applaus für Schauspieler undRegieteam.
Zuvor hatte am Domplatz das traditionelle Eröffnungsstück, Hugovon Hofmannsthals Mysterienspiel «Jedermann» mit Peter Simonischek inder Rolle des reichen Lebemanns und Nina Hoss als Buhlschaft vor vielProminenz das künstlerische Programm eröffnet.
Kusej setzt von Beginn an auf Tempo und schält aus derverschlungenen Handlung eine böse, zeitlose Satire. Die Bühne vonMartin Zehetgruber ist ein kahler, kalt ausgeleuchteter Raum, mitSperrholz, später mit Spiegeln ausgekleidet und einer Vielzahl vonTüren versehen. Die bieten Gelegenheit für überraschende Auftritteund Abgänge und geben im Hintergrund den Blick auf ein Labyrinth ausverwirrenden Gängen frei. Im Text streicht Kusej amüsantes, dasGeschehen aber nicht weiter treibende Wortgeplänkel und lässt denSchauspielern einen beißenden, scharf pointierten Nestroy.
Dabei kann sich der Regisseur auf ein diszipliniertes, mithöchstem Einsatz und präzise agierendes Ensemble verlassen. MichaelOfzarek als Wendelin ist ein sympathisch-tumber Verlierertyp, der mitdem Schicksal hadert und sich dem Teufel verschreibt, weil er ohnehinnichts zu verlieren hat. In Joachim Meyerhoff als wendigen,prinzipiell gutmütigen Oberrichter von Thurming findet er einenadäquaten Gegenspieler, der ihn gerade wegen seines Entgegenkommensnur immer weiter in Wahn und Angstgefühle treibt.
Martin Schwab als trinkfreudiger, abgewirtschafteter SchusterPfrim wird, vom Teufelsglauben gefestigt, zum aufsässigen,respektlosen und die Obrigkeit verstörenden Rebellen. Die sprödeGeliebte Rosalia (Caroline Peters) durchbricht beherzt die Grenzenzwischen einer sich selbst genügenden, abgeschlossenen politischenKaste und dem hilflosen Proletariat. Die Repräsentanten des Staates(Denis Petkovic und Johannes Krisch) geben mit Gehrock undaristokratischem Gehabe eine Karikatur ihrer selbst.
Gekonnt spielen Kusej und sein Team mit Slapstick undÜberraschungseffekten - die jedoch immer wieder drastisch kippen unddie Paranoia der Hauptfigur greifbar machen. So taucht der bei einemamourösen Abenteuer gestörte Oberrichter unter grellem Theaterblitzund Donnergetöse als Karikatur des Teufels im Fenster auf oder der inseinem Teufelswahn gefangene Wendelin verwandelt sich mit Schmerbauchund scharrendem Fuß in einen angriffslustigen Stier.
Immer weiter verdüstert sich die Komödie zu einem verstörendenPanorama ungewisser Bedrohung, musikalisch verdichtet durch LouieAusten als neu eingeführter «Mann in der Menge», der mit dunklenSongs Momente der Gefährdung zeichnet. «You're an Alien», singt eroder beschwört mit brüchigem Unterton Freiheit und Liebe. Kusej, dersich sowohl an der Wiener Burg als auch bei den SalzburgerFestspielen wiederholt mit großem Erfolg den österreichischenKlassikern gewidmet hat, schafft einmal mehr eine kraftvolle,packende Deutung, die auf vordergründige Aktualisierung verzichtetund einen tiefen Blick in menschliche Abgründe und Machtsystemewirft.
Dass die Festspiele im Mozartjahr den künstlerischen Auftakt demSchauspiel überließen, ist durchaus als Zugeständnis an die Bedeutungdes Theaters für das Festival zu sehen. Mit der Inszenierung istKusej, der als Spezialist für dunkle, schwierige Theaterstoffe gilt,auch der Start des Komödien-Schwerpunkts im diesjährigenSchauspielprogramm überzeugend gelungen. Die Inszenierung ist inKoproduktion mit dem Wiener Burgtheater entstanden und wird ab Herbstin Wien zu sehen sein.